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Der Wächter

Der Wächter

Titel: Der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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bestimmten Lautstärke halten mussten, während sie auf dem Rasen hinter ihren Eltern spielten, um ihr nächtliches Abenteuer unbegrenzt verlängern zu können.
    In den herrschenden paranoiden Zeiten konnte ein Fremder es nicht wagen, einem Kind auf offener Straße Süßigkeiten anzubieten. Selbst die vertrauensseligsten Rangen hätten beim Angebot eines Lutschers nach der Polizei geschrien.
    Corky hatte zwar keine Lutscher, aber er führte einen Beutel mit leckeren, die Kaumuskeln anregenden Karamellbonbons bei sich.
    Als sich die Kinder ein Stück weit entfernt hatten, fischte er den Beutel aus den Tiefen einer der Innentaschen seines Mantels. Er ließ ihn an einer Stelle auf den Rasen fallen, wo die Kleinen ihn bestimmt finden würden, wenn ihre Spiele sie wieder hierher führten.
    Er hatte die Bonbons nicht etwa mit Gift überzogen, sondern nur mit einem wirksamen Halluzinogen. Terror und Unordnung konnten durch subtilere Methoden in der Gesellschaft verbreitet werden als durch blanke Gewalt.
    Die in einem Bonbon enthaltene Drogenmenge war einerseits so klein, dass selbst ein Kind, das gierig sechs oder acht von den Dingern in sich hineinstopfte, nicht Gefahr lief, eine toxische Überdosis zu sich zu nehmen. Andererseits würde schon nach dem dritten Bonbon ein wahrer Albtraum einsetzen.
    Corky mischte sich noch eine Weile unter die Menge der Erwachsenen und warf verstohlene Blicke zu den Kindern hinüber, bis zwei Mädchen den Beutel entdeckt hatten. Da es Mädchen waren, teilten sie den Inhalt sofort großzügig mit den vier Jungen.
    Nahm man die betreffende Droge nicht zusammen mit einem abmildernden Antidepressivum wie Prozac, dann verursachte sie derart grässliche Halluzinationen, dass die geistige Gesundheit des Konsumenten auf dem Spiel stand. Bald würden die Kinder glauben, dass sich in der Erde Mäuler mit scharfen Zähnen und Schlangenzungen aufgetan hatten, um sie zu verschlingen, dass ihnen Parasiten aus dem Weltall aus dem Brustkorb barsten und dass alle, die sie kannten und liebten, nun plötzlich vorhatten, sie in Stücke zu reißen. Selbst wenn die Wirkung vorüber war, würden Flashbacks sie monate-, vielleicht sogar jahrelang quälen.
    Nachdem er diese Saat des Chaos gesät hatte, kehrte Corky durch die erfrischend kühle Nacht und den reinigenden Regen zu seinem Wagen zurück.
    Hätte Corky Laputa in einem früheren Jahrhundert gelebt, dann wäre er der Reiseroute von Johnny Appleseed gefolgt, um Stück für Stück sämtliche Bäume zu vernichten, die der berühmte Pionier des Obstbaus auf dem amerikanischen Kontinent gepflanzt hatte.

31
    Hätte Fric befürchtet, dass es im Weinkeller spukte oder dass in den Winkeln und Gängen unheimliche Gestalten umherschlichen, dann hätte er das Abendessen in seinem Schlafzimmer eingenommen.
    So aber verhielt er sich völlig sorglos.
    Mit einem Geräusch, das ihn an das Ploppen beim Öffnen einer vakuumverpackten Dose Erdnüsse erinnerte, öffnete Fric die dicke, mit einer Gummidichtung versehene Glastür in der isolierten Glaswand.
    Er trat aus dem Probierraum in den eigentlichen Weinkeller. Hier wurde die Temperatur auf konstant dreizehn Grad Celsius gehalten.
    Für vierzehntausend Flaschen brauchte man eine Menge Regale – ein wahres Labyrinth aus Regalen. Sie waren nicht einfach wie in einem Supermarkt angeordnet, sondern in Form eines heimeligen Irrgartens aus gewölbten Ziegelgängen, die sich an runden, ebenfalls mit Regalen ausgestatteten Grotten kreuzten.
    Viermal jährlich wurde jede Flasche der Sammlung in ihrer Nische behutsam um eine Vierteldrehung – neunzig Grad – bewegt. Die Prozedur sollte dafür sorgen, dass kein Teil des Korkens austrocknete und dass das Sediment sich ordentlich am Boden ablagerte.
    Zwei der Hausmeister, Mr. Worthy und Mr. Phan, konnten sich dabei lediglich vier Stunden täglich dem Drehen der Weinflaschen widmen. Das lag an der Monotonie der Arbeit, der Sorgfalt, die sie gleichzeitig erforderte, und dem Stress, den sie den Hals- und Schultermuskeln zufügte. Während einer Vierstundenschicht schaffte es immerhin jeder der beiden, zwölf- bis dreizehnhundert Flaschen zu drehen.
    Durch einen Strom kühler, trockener Luft, der unablässig aus den Deckenöffnungen floss, folgte Fric einem Tonnengewölbegang mit Pinot Noir zu einem breiteren Rippengewölbekorridor mit Cabernet, durchquerte eine merkwürdig überkuppelte Grotte mit diversen Jahrgängen Rothschild Château Lafitte und ging durch einen Tunnel mit Merlot.

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