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Der Wächter

Der Wächter

Titel: Der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Er suchte nach einem Ort, an dem er sich ohne Angst, entdeckt zu werden, verbergen konnte.
    Als er eine ovale Galerie erreichte, in der Burgunder lagerte, glaubte er, irgendwo im Labyrinth Schritte zu hören. Lauschend erstarrte er.
    Nichts. Nur die Flüsterstimme des den Wein kühlenden Luftzugs, der von der einen Seite in die Galerie eindrang, um sie auf der anderen wieder zu verlassen.
    Die künstlich flackernden Flammen der falschen Gaslampen, die an manchen Stellen an die Wand montiert waren oder von der Decke der Grotten hingen, wenn es die Höhe erlaubte, ließen zuckende Schatten und schimmerndes Licht über die Regale und Ziegelwände jagen. Es waren wohl diese gespenstischen, aber bedeutungslosen Bewegungen, die einen Schritte hören ließen, obwohl wahrscheinlich gar keine zu hören waren.
    Wahrscheinlich.
    Weniger unerschrocken als zuvor folgte Fric der sanften Luftströmung. Dabei warf er immer wieder einen Blick über die Schulter.
    Bestimmt waren andere Weinkeller muffige Höhlen, in denen die Zeit eine Staubschicht nach der anderen hinterließ und auf diese Weise Zeugnis von ihrem nie endenden Fortschreiten ablegte. Manche Leute hielten einen Staub-film auf Weinflaschen sogar für ein Zeichen guter Lagerung.
    Frics Vater hingegen hatte eine geradezu obsessive Abneigung gegen Staub, weshalb man hier auch nirgendwo welchen fand. Einmal im Monat saugte das Personal Regale, Decke, Wände und Boden ab, wobei es natürlich sorgsam darauf achtete, die Flaschen nicht zu stören.
    In den Ecken der Gänge, besonders aber in den dunklen Rundungen der gemauerten Deckengewölbe, fanden sich hier und da feine Spinnennetze. Manche von ihnen waren auf einfache Art, andere auf kunstvolle gewoben.
    In diesen Hervorbringungen war allerdings kein einziger achtbeiniger Architekt zu erblicken. Spinnen wurden hier nicht geduldet.
    Wenn die Putzkolonne bei der Arbeit war, achtete sie allerdings darauf, mit dem Staubsauger nicht in die Nähe der hauchdünnen Gebilde zu kommen. Nicht Spinnen hatten sie nämlich geschaffen, sondern ein Bühnenbildner aus dem Lieblingsfilmstudio des Schattenpapas. Trotzdem verfielen die Netze mit der Zeit. Zweimal jährlich wischte Mr. Knute, der Bühnenbildner, sie deshalb von den Ziegeln, um sie von Grund auf zu erneuern.
    Der Wein selbst war echt.
    Während Fric durch die Windungen des Labyrinths ging, berechnete er, wie lange sein Vater stockbesoffen bleiben konnte, ohne den Inhalt des Kellers aufzubrauchen.
    Für diese Rechnung musste man bestimmte Annahmen zugrunde legen. Zum einen würde der Schattenpapa jede Nacht acht Stunden schlafen. Wenn er ständig beduselt war, dann schlief er womöglich länger, aber im Interesse einer einfachen Berechnung musste man eine willkürliche, halbwegs plausible Zahl bestimmen: also acht.
    Zum anderen musste man annehmen, dass ein erwachsener Mann ausreichend besoffen bleiben konnte, indem er alle drei Stunden eine Flasche Wein konsumierte. Um den entsprechenden Zustand zu erreichen, musste man die erste Flasche womöglich in ein, zwei Stunden hinunterschütten, aber danach reichte alle drei Stunden eine.
    Eigentlich war das keine Annahme, sondern echtes Wissen. Bei zahlreichen Gelegenheiten hatte Fric Schauspieler, Drehbuchautoren, Rockstars, Regisseure und andere prominente Liebhaber guter Weine beobachten können. Manche von ihnen schafften es zwar, sich in drei Stunden mehr als eine Flasche hinter die Binde zu gießen, aber diese aggressiven Trinker kippten regelmäßig um.
    Okay. Fünf Flaschen während eines Sechzehnstundentages. Vierzehntausend geteilt durch fünf. Zweitausendachthundert.
    Mit dem Inhalt des Kellers konnte der Schattenpapa also zweitausendachthundert Tage lang betütert bleiben. Nun musste man nur noch zweitausendachthundert durch dreihundertfünfundsechzig teilen …
    Mehr als siebeneinhalb Jahre. Der Alte konnte demnach stockbesoffen bleiben, bis Fric die Highschool abgeschlossen hatte und weggelaufen war, um sich bei den Marines zu melden.
    Natürlich trank der größte Filmstar der Welt nie mehr als ein Glas Wein beim Abendessen. Drogen benutzte er überhaupt nicht – nicht einmal Marihuana, das man in Hollywood allgemein für Biofutter zu halten schien. »Ich bin zwar nicht vollkommen«, hatte er einem Reporter der Zeitschrift Premiere einmal gesagt, »aber all meine Fehler, Mängel und Schwächen sind eher spiritueller Natur.«
    Fric hatte keine Ahnung, was das nun wieder bedeuten sollte, obwohl er eine Menge Zeit damit

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