Der Wächter
die man hier zu Gesicht bekommt, sind ungeachtet ihres Alters schön, entweder durch göttliche Gnade oder durch das Skalpell eines guten Chirurgen. Die Hälfte der Männer sieht so gut aus wie ein Haufen Filmstars, und die andere Hälfte meint zumindest, es zu tun.
Die meisten dieser Leute arbeiten in der Unterhaltungsindustrie, nicht als Schauspieler, sondern als Agenten und Studiomanager, als PR-Fachleute und Produzenten.
In anderen Hotels der Stadt hört man oft mehrere Fremdsprachen, aber an diesem Ort wird ausschließlich Englisch gesprochen und auch nur der eingeschränkte, aber ausdrucksvolle Jargon der Geschäftswelt. Hier werden Beziehungen gefestigt; es wird Geld gemacht; man heckt sexuelle Exzesse aus.
Die Leute sind energiegeladen, optimistisch, kokett, laut und überzeugt von ihrer Unsterblichkeit.
Die Art und Weise, wie Dunny an der Theke vorbeischwebt, erinnert an Cary Grant, der auf den Partys seiner Filme immer wie auf Schlittschuhen durchs Gedränge glitt, während alle anderen mit Gewichten an den Beinen umherstapften. Zwischen den voll besetzten Tischen hindurch steuert er einen der begehrten Ecktische an. Dort sitzt nur ein einzelner Mann.
Der Name dieses Mannes lautet Typhon; jedenfalls will er das glauben machen. Schon wenn man ihn kennen lernt, verrät er einem, dass er den Namen eines Ungeheuers aus der griechischen Mythologie trage, eines Wesens, das im Sturm durch die Lüfte reise und überall dort, wo der Regen es hinbringe, Entsetzen verbreite. Dann lacht er, vielleicht weil sein Name überhaupt nicht zu seinem Aussehen, seinem vornehmen Geschäftsgebaren und seinen geschliffenen Umgangsformen passt.
Nichts an Typhon sieht im Geringsten monströs oder stürmisch aus. Er ist rundlich, weißhaarig und hat ein freundliches, androgynes Gesicht, mit dem er im Film gut eine verklärte Nonne oder einen frommen Klosterbruder spielen könnte. Er lächelt gern und oft, ist ein guter Zuhörer und wirkt aufrichtig. So freundlich und unwiderstehlich sympathisch, wie er ist, kann er sich sofort mit jedermann anfreunden.
Typhon trägt einen tadellosen dunkelblauen Anzug mit einem roten Einstecktuch, ein weißes Seidenhemd und eine konservative blau-rote Krawatte. Sein dichtes weißes Haar wurde von einem Coiffeur gestylt, der sonst Stars und gekrönten Häuptern zu Diensten steht. Die makellose, mit teuren Cremes geglättete Haut, die gebleichten Zähne und die manikürten Nägel weisen darauf hin, dass er stolz auf sein Äußeres ist.
Typhon sitzt mit dem Rücken zur Wand und blickt wie ein gütiger Monarch, der Hof hält, mit majestätischer Haltung in den Raum. Obwohl er den Leuten hier bekannt sein muss, belästigt ihn niemand, so als wüssten alle, dass er es vorzieht, zu sehen und gesehen zu werden, statt sich mit irgendjemandem zu unterhalten.
Von den vier Stühlen am Tisch stehen zwei mit der Lehne zur Wand. Dunny nimmt den zweiten.
Typhon isst Austern und trink dazu einen vorzüglichen Pinot Grigio. »Bitte setzen Sie sich zu mir, und bestellen Sie sich etwas, mein Lieber«, sagt er.
Wie von einem Zauberer herbeigehext, erscheint augenblicklich ein Kellner. Dunny bestellt eine doppelte Portion Austern und eine eigene Flasche Pinot Grigio. Er war schon immer ein Mann mit großem Appetit.
»Sie waren schon immer ein Mann mit großem Appetit«, bemerkt Typhon mit verschmitztem Lächeln.
»Damit ist es jetzt bald genug vorbei«, sagt Dunny. »Aber während das Bankett noch im Gange ist, habe ich vor, mich ordentlich voll zu stopfen.«
»So ist es recht!«, sagt Typhon. »Sie sind ein Mann, wie ich ihn liebe, Dunny. Übrigens, das ist ein schicker Anzug.«
»Das Kompliment kann ich zurückgeben.«
»Es ist eine wahre Plage, geschäftliche Angelegenheiten besprechen zu müssen«, sagt Typhon, »also wollen wir das gleich hinter uns bringen.«
Statt etwas zu erwidern, wappnet Dunny sich gegen den zu erwartenden Tadel.
Typhon nimmt einen Schluck Wein und seufzt vor Genuss. »Habe ich recht verstanden, dass Sie einen Killer beauftragt haben, Mr. Reynerd zu beseitigen?«
»Ja, das habe ich getan. Es war ein Typ, der sich als Hector X bezeichnet hat.«
»Einen Killer«, wiederholt Typhon mit hörbarem Erstaunen.
»Ich kenne ihn von früher. Er war ein ziemlich hohes Tier bei einer Straßengang, den Crips. Damals haben wir zusammen Angel Dust hergestellt und an den Mann gebracht.«
»Angel Dust?«
»PCP, ursprünglich ein Beruhigungsmittel für Tiere. Wir hatten eine regelrechte
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