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Der waghalsige Reisende: Johann Gottfried Seume und das ungeschützte Leben (German Edition)

Der waghalsige Reisende: Johann Gottfried Seume und das ungeschützte Leben (German Edition)

Titel: Der waghalsige Reisende: Johann Gottfried Seume und das ungeschützte Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Preisendörfer
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hart scheinende Mann empfand? Sein Unwille über die Menschen und sein Ingrimm über das Verderbnis, entstand aus Liebe und Achtung für die menschliche Natur, wie sie in großen Menschen des Altertums seiner großen Seele vorschwebte.«
    Göschen gibt in seinem Teil der Fortsetzung von Seumes Leben auch zu Protokoll, was Wieland »seinem« Seume nachgerufen, besser: nachgesagt hat, denn einen regelrechten Nachruf hat Wieland nicht verfasst: »Wieland nannte Seumen, wegen seiner Tugenden und wenigen Bedürfnisse, den edlen Cyniker, einen Menschen von großem Wert. Dieses Lob des berühmten und liebenswürdigen Mannes hat ihn sehr glücklich gemacht und wird ihn ehren bei allen, welche den Beifall der Besten unter den Menschen für den höchsten Ruhm halten, den ein Sterblicher gewinnen kann.«
    Wieland selbst hatte zwei Wochen nach Seumes Tod an Böttiger geschrieben: »wenige Menschen sind mir im ganzen Lauf meines Lebens so lieb, meinem Herzen so nahe worden wie Seume, und ich habe Ursache zu glauben, dass auch ich von wenigen so geliebt worden bin wie von ihm«.
    Böttiger wiederum veröffentlichte einen vierteiligen Nachruf in der Allgemeinen Zeitung und im Dezember eine »Nachlese über Seume« in der Zeitung für die elegante Welt . Schon im Juli hatte Böttiger während eines Besuchs bei seiner in Töplitz kurenden Frau in einen Brief an Tiedge geschildert, wie er an »unseres unvergesslichen Seume Grabe« gestanden und »den herrlichen Kernmenschen« betrauert habe.
    Tiedge erklärte in seinem Nachruf in der Zeitung für die elegante Welt über Seume: »Er sprach im Namen der Menschheit, wenn er von sich sprach, wahr und furchtlos. Ach! auch diesen edlen, festen Mann hat unser Vaterland verloren! Möge uns sein Genius bleiben und jüngere Geschlechter begeistern, in ihrer Art und Weise zu leben und zu wirken wie er!«
    Etwa zur gleichen Zeit schrieb Elisa, die sich um eine ehrende Grabstätte in Töplitz kümmerte, an Böttiger: »Aber in Leipzig, wo er gelebt und gewirkt hat, da wünschte ich, dass dem edlen deutschen Kraftmann von den Verehrern seines Geistes und Charakters auf dem öffentlichen Spaziergang, auf einer der schönsten Stellen, ein würdiges Denkmal gesetzt würde.«
    Elisas Wunsch ging nicht in Erfüllung. Es gibt Denkmale in Teplice und Bremen, und es gibt eine Gedenkstätte in Grimma. Leipzig ließ sich zweihundert Jahre Zeit für eine derartige Ehrung. 2010 wurde eine Gedenktafel an einem Haus enthüllt, in dem Seume eine Mansarde bewohnt hatte. Doch so wichtig ist es auch nicht, ob man den hoffnungslos Heimatlosen irgendwo festnagelt oder den Wanderer in Gestalt einer Statue irgendwo anders auf der Stelle treten lässt.
    Wie Wieland, Seumes letzter »Vater«, seinen Schützling überlebte, so überlebte ihn auch sein früher Förderer, Graf Hohenthal. Er saß im Publikum, als August Mahlmann am 24. Juni 1810 in der Leipziger Freimaurerloge »Minerva zu den drei Palmen« eine Rede auf Seume hielt, obwohl der kein Freimaurer gewesen war: »Mit Anerkennung seines Werts wird sein Name in ganz Deutschland genannt und sein Grab wird noch oft von guten Menschen besucht werden, die mit Liebe des unglücklichen, aber edeln Menschen gedenken.«
    Schon im ersten Jahr nach Seumes Tod erschienen für seinen Nachruhm wichtige Werke: Neben der Ausflucht nach Weimar vor allem das Kurze Pflichten- und Sittenbuch für Landleute , als Ein Nachlass moralisch-religiösen Inhalts , herausgegeben von Pfarrer Johann Samuel Vertraugott Schieck, und die Apokryphen , in zensierter Fassung enthalten in einer erweiterten, von Schnorr ergänzten Neuausgabe des Spaziergang . 1813 folgte von Göschen und Clodius herausgegeben Mein Leben .
    Das Buch für die »Landleute« war das, was man einen verlegerischen Coup nennen könnte, und hat Seumes Ruf zum Glück nicht nachhaltig – man muss schon sagen: beschädigt. Verleger gehen manchmal buchstäblich, weil posthum buchdruckend, über Leichen, wenn nur Aussicht auf Erfolg besteht. Göschen kaufte das Manuskript des ursprünglich von ihm abgelehnten Pflichten- und Sittenbuchs dem Pfarrer ab, dem Seume es vor seiner Reise nach Sizilien geschenkt hatte. Im November 1810 schrieb er an Böttiger: »Es ist etwas Köstliches für jetzt, was damals [als Göschen den Text nicht drucken wollte] nicht zweckmäßig war. Wie werden die Leute staunen! Wie, werden sie sagen, Seume war ein so frommer, tief fühlender, religiöser, […] ein so wackerer Christ.« Auch Pfarrer Schieck

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