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Der waghalsige Reisende: Johann Gottfried Seume und das ungeschützte Leben (German Edition)

Der waghalsige Reisende: Johann Gottfried Seume und das ungeschützte Leben (German Edition)

Titel: Der waghalsige Reisende: Johann Gottfried Seume und das ungeschützte Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Preisendörfer
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Stunden, die sonst sehr trübe vorbeiziehen würden. Nur wird sie uns leider mit der eintretenden schönen Jahreszeit verlassen um nach Töplitz zu gehen.«
    Das böhmische Töplitz      Hinweis     , bekannt für sein wohltuendes Quellwasser, war ein beliebtes Ziel für Leute, die Erholung brauchten. Goethe ruhte sich dort gelegentlich von seinen Amtsgeschäften aus, Böttiger schickte seine kränkelnde Frau zur Kur, und Elisa von der Recke genoss dort mit Tiedge den Frühling. Die beiden beschlossen, den kranken Mann, den sie in Leipzig zurückgelassen hatten, nachzuholen, und am 16. Mai 1810 setzte Tiedge den »geliebten Seume« über die Vorbereitungen ins Bild, die getroffen worden waren: »Frau von der Recke [hat] mit einer gewissen Mamsell Fanny, welche die Selbstbeherrscherin des hiesigen, sehr gut eingerichteten Wirtshauses und Ihnen schon im Voraus sehr zugetan ist, die Verabredung getroffen, dass Sie sogleich bei Ankunft im sogenannten goldenen Schiff, so heißt das hiesige beste Wirtshaus, ein bequemes Zimmer und ein gutes, warmes Bett vorfinden.« Dann lud er Seume ein, als ginge es zum Sterben: »Kommen Sie daher nur sorglos nach Töplitz und so ruhig, als reisten Sie in jene Welt hinüber, wo ebenfalls irgend ein Engel jedem wackern Manne seinen Platz bereit halten wird.« Seume nahm die Einladung an und starb.
    Im Goldenen Schiff
    »Gegen Ende des Monats Mai 1810 traf Seume in Töplitz ein, wo er im goldenen Schiffe, oder der sogenannten Töpferschenke, eine Stube bezog, welche ihm die heiterste Aussicht auf die Stadt und das Bad, von dem er noch entscheidende Hilfe hoffte, auf ein paradiesisch grünendes Tal, mit hohen, im Frühlingsdufte schwimmenden Bergen, aber auch die Stelle seines künftigen Grabes gewährte.«
    So heißt es auf den letzten, von Christian August Heinrich Clodius stammenden Seiten von Mein Leben . Der Leipziger Poetikprofessor kannte Seume seit vielen Jahren, und als Seume das Bett nicht mehr verlassen konnte, bezog er eine Stube im Stockwerk über dem Sterbezimmer. Er war Seume in dessen letzten Tagen am nächsten. Elisa und Tiedge wohnten im sogenannten ›Fürstenhaus‹ bei Freunden.
    Als Seume nach Töplitz kam, hatte er trotz der Schmerzen noch Hoffnung. In seinem Notizbuch war die Route einer Rheinreise verzeichnet, und er hielt sein Geld zusammen, weil er es für diese Reise zu brauchen glaubte. Aber die böhmischen Wasser halfen ihm nicht. Das aus den Töplitzer Stadtbrunnen war lauwarm und blieb auch nach der Kühlung fade; das Wasser aus der benachbarten Brunnenstadt Bilin war Seume zu sauer; das aus dem Mariabrünnlein des Klosters Mariaschein schmeckte ihm nicht. »Seume war [nun] einmal an das Selterwasser gewöhnt, welches man anfangs aber in Töplitz vergebens suchte«, notiert der aufopferungsvolle Clodius. Und auch, dass es Seume dann doch noch gelang, ein paar übrig gebliebene Flaschen aufzutreiben. Die unverhofft gefundene »Panazee«, wie Clodius mit resigniertem Spott schreibt, konnte Seume das Leben nicht retten – nicht einmal die Illusionen, die er sich über seine Gesundung bis dahin gemacht hatte. Die letzte Wanderung begann: Nach einem leichtsinnigen Fußmarsch bei Wind und Wetter hinaus zum Baden verschlimmerte sich sein Zustand, und nachdem er sich noch einmal zu Elisa von der Recke und Tiedge geschleppt hatte, ging es, zurück im Gasthaus, nur noch vom Tisch zum Sofa und vom Sofa ins Bett.
    Die Parzen sind weiblich, aber Mamsell Fanny, die Wirtin vom Goldenen Schiff , mochte nicht dulden, dass Seume der Schicksalsfaden bei ihr abgeschnitten wurde. Obwohl sie Seume »schon im Voraus sehr zugetan« war, wie Tiedge in seinem Einladungsbrief zu viel versprechend geschrieben hatte, verlangte sie nun, der Kranke möge von Bord gehen. Die Zeit, für die das Zimmer gemietet war, sei abgelaufen, und neue Gäste hätten gebucht. Der Wirt einer Unterkunft in der Nachbarschaft weigerte sich jedoch, den Sterbenden aufzunehmen. In einem Badeort, wo die Leute genesen sollen, sind tote Gäste in den Betten keine gute Empfehlung für Hotels. Also war Seume »juristisch genommen eigentlich ohne Quartier«, wie Clodius es ausdrückt. Er versuchte, von der Wirtin die Umbettung des Sterbenden in sein eigenes Zimmer zu erreichen, wenn das andere schon geräumt werden musste. »Mit vieler Mühe und nur durch die Dazwischenkunft der angesehensten Männer von Töplitz, ja der Polizei selbst, gelangen unsere Vorstellungen, die bisherigen Wirtsleute zu bewegen,

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