Der wahre Feind: Kriminalroman (German Edition)
überrascht an. » Das ist … eine Orgel.«
» Ja, natürlich … also auf der Orgel.«
» Beat it von Michael Jackson. Das mochte Jonas auch gern. Ist ziemlich einfach.«
Er ging in die Hocke. » Wann hast du zuletzt mit Jonas geredet?«
Sie schaute weg. » Warum?«
» Weil wir wissen müssen, was er getan hat und wo er gewohnt hat.«
» Ich weiß nicht, wo er gewohnt hat. Nur, dass es irgendwo in Kopenhagen war.«
» Worüber habt ihr geredet?«
Sie zuckte die Schultern. » Über alles Mögliche. Was ich so mache, ob ich weiter zum Musikunterricht gehe …« Sie verdrehte die Augen.
» Glaubst du, dass er froh war, von zu Hause wegzukommen?«
» Das weiß ich nicht. Jonas war nie richtig froh. Manchmal hat er auch komische Dinge gesagt.«
» Was denn?«
» Dass er gut verstehen könnte, warum die Leute in Afghanistan ihr Land verteidigten. Das fand ich merkwürdig, weil er doch da war, um gegen sie zu kämpfen.«
Erneut starrte sie vor sich hin.
» Du hast noch gar nicht auf meine Frage geantwortet. Wann hast du zuletzt mit Jonas gesprochen?«
» Als die Bombe explodierte«, antwortete sie tonlos.
» Worüber habt ihr geredet?«
» Er konnte nichts mehr sagen.«
Katrine blickte zu Storm hinüber, während er auf die Autobahn fuhr. » Können wir diese Aussage verifizieren?«
» Ich gehe davon aus, dass die Telefongesellschaft immer noch die Anruflisten hat. Da wir die Nummer haben, können wir überprüfen, wer sie wann angerufen hat.«
» Und bisher hat sie niemandem davon erzählt?«
Storm schüttelte den Kopf.
» Was für ein schreckliches Geheimnis, das sie mit sich herumträgt.«
Storm nickte. » Nicht, dass ihn das von vornherein als Täter ausschließt. Aber es ist doch schwer vorstellbar, dass er in einer Hand sein Handy und in der anderen den Detonator hält.«
Katrine blickte aus dem Seitenfenster und enthielt sich eines Kommentars. Ihr Ausflug hatte mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Sie war gespannt darauf, was die anderen zu erzählen haben würden. Es war noch zu früh, um Jonas endgültig abzuschreiben.
42
WIR WERDEN DEN LAUF DER GESCHICHTE ÄNDERN
Wir werden jeden freien Gedanken abschaffen. Werden die Epochen der Weltgeschichte auslöschen, die im Widerspruch zu unserer Ideologie stehen. Jedes Individuum wird in Zukunft in seinem streng definierten Bereich arbeiten und den Platz einnehmen, den wir ihm zuteilen.
K apitel XV : G ehirnwäsche
Das Treppenhaus war leer. Katrine ging die Treppe hinunter und zündete sich die erste Zigarette des Tages an. Als sie die Haustür erreichte, warf sie einen prüfenden Blick zu der Ecke, an der die Männer ihr aufgelauert hatten. Sie hatte keine Angst, dennoch hing ihr dieses schreckliche Erlebnis noch in den Knochen. Angesichts der fehlenden Zähne im Oberkiefer des einen Mannes hatte sie gehofft, die Polizei würde ihn finden. Doch bis jetzt war nichts geschehen. Irgendwann würde sie im Viertel erneut auf ihn stoßen. Pech für ihn.
Sie schlenderte über den Parkplatz und setzte sich in den schwarzen Mondeo. Es war Viertel nach acht, und die Leute waren auf dem Weg zur Arbeit. Katrine gähnte, sie hatte eine schlaflose Nacht hinter sich. Hatte immerzu an Jonas denken müssen. An sein trauriges Leben bei seinen Eltern in Haslev, die wohl nie über die Tragödie hinwegkommen würden. Unabhängig vom Ausgang der Ermittlungen würden sie stets verbittert über den viel zu frühen und sinnlosen Tod ihres Sohnes sein.
Gegenüber dem Einkaufszentrum hielt sie vor der roten Ampel. Vor dem Eingang sah sie ein paar Jungen im Qamis und mit roten Stirnbändern. Es waren die Jungen aus der Azra-Moschee, die versuchten, ihre Flugblätter an diejenigen zu verteilen, die so früh schon einkauften. Sie waren zahlreicher als früher und boten mit ihren langen blonden Bärten und den arabischen Gewändern einen merkwürdigen Anblick. Mochte Jonas konvertiert sein?, fragte sie sich. Oder legte sie damit zu viel in die Aussage seiner jüngeren Schwester hinein, er habe Sympathien für seinen Feind empfunden?
Jemand klopfte fest gegen die Seitenscheibe, sie drehte sich erschrocken um. Saajid stand draußen und bedeutete ihr, die Scheibe herunterzufahren. Es war inzwischen fast eine Angewohnheit von ihm, sie auf diese Weise zu überraschen. Manchmal beschlich sie der Verdacht, dass er ihr auflauerte.
» Du bist früh auf den Beinen«, sagte sie.
Er nickte. » Wie geht’s dir?«
» Schon besser«, antwortete sie.
» Ich tut mir schrecklich
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