Der wahre Feind: Kriminalroman (German Edition)
viel zu dünnen Trenchcoat. Es war ein beschissener Tag in einer langen Reihe beschissener Tage gewesen. Der Fall war ihm aus der Hand geglitten. Sie hatten ihm die Terrorsache weggenommen. Jetzt, da es nicht mehr um Abschiebungen ging, brauchten sie ihn nicht mehr. Stattdessen hatte Holk, der kleine Bürokrat, die Valhal-Sache an sich gerissen und stand völlig unverdient im Zentrum der Aufmerksamkeit. Palsby verfluchte sich einmal mehr dafür, auf die Stimme gehört zu haben. Hätte er einfach abgewartet, würde alles jetzt ganz anders aussehen. Dass Løvengren schuldig war, lag auf der Hand, doch nachdem er sich so für die Ausweisungen der verdammten Muslime stark gemacht hatte, konnte er jetzt nicht plötzlich die Seite wechseln. Aber das war noch nicht einmal das Schlimmste. Denn am späten Nachmittag hatte sich erneut die Stimme bei ihm gemeldet. Zunächst hatte Palsby seinen Zorn nur mühsam zurückhalten können in der Hoffnung, eine neue Anweisung zu bekommen, die ihn wieder auf die Erfolgsspur zurückbringen würde. Vielleicht sogar einen Tipp, wie er Holk doch noch aus dem Feld schlagen konnte. Doch war er, gelinde gesagt, sehr enttäuscht worden. Die Stimme hatte nicht einmal im Ansatz ein schlechtes Gewissen wegen der Niederlage gehabt, die er erlitten hatte. Er war vielmehr gebeten worden, seinen nächsten Fall abzugeben. Den einzigen Fall, der ihn bis jetzt ein wenig getröstet hatte – der Prozess gegen Katrine Bergman. Er hatte sich kategorisch geweigert, worauf die Stimme ihn ausdrücklich darum gebeten hatte. Es war das erste Mal, dass er nicht einfach einen » Vorschlag« hatte entgegennehmen müssen, was ihm sogar ein Gefühl der Macht gegeben hatte. Eine Macht, die er sofort ausgenutzt hatte.
» Viele werden von Ihrem Entschluss sehr enttäuscht sein«, hatte die Stimme gesagt. » Sie werden Ihre starre Haltung nicht nachvollziehen können.«
Dann wäre das eben so, hatte er entgegnet und wütend den Hörer aufgeknallt.
Jetzt spazierte er durch den strömenden Regen zu seinem Auto. Klatschnass. Hungrig. Mutlos. Einsam. Was für ein gottverdammter Scheißtag. Fehlte nur noch ein Strafzettel, um ihn perfekt zu machen. » Au! Was soll denn …?«
Ein stechender Schmerz fuhr ihm in die Pobacke, als wäre er von einem Insekt gestochen worden. Er fasste sich mit der Hand an die Stelle und drehte sich um. In diesem Moment ging ein junger Glatzkopf mit Hasenscharte an ihm vorbei. Er lächelte ihm freundlich zu. Palsby kam das Gesicht irgendwie bekannt vor, aber er wusste nicht, woher.
Sein linker Arm begann zu prickeln. Es begann am Handgelenk und ging in den Unterarm über. Palsby schnappte nach Luft und löste seine Krawatte. Er spürte einen gewaltigen Druck auf der Brust. Plötzlich hatte er Herzstiche und ließ seine Aktentasche fallen. Die Schmerzen nahmen zu. Er fiel vornüber und schlug mit dem Kopf auf den Pflastersteinen auf. Er bekam keine Luft mehr. Versuchte verzweifelt, ein bisschen Sauerstoff in seine Lunge zu saugen. Seine Beine zuckten, die Schnürsenkel seiner schwarzen Schuhe klatschten rhythmisch gegen die Kaimauer, bis er schließlich tot auf dem Bürgersteig lag.
*
Ein Schlüssel drehte sich im Schloss von Løvengrens Zellentür. Er stand von der Pritsche auf. Die Tür öffnete sich, und ein PET -Agent bat ihn, ihm zu folgen. Sie schritten den Gang hinunter bis zum Besuchsraum, der an seinem Ende lag. In dem schmalen Raum mit den erbsengrünen Wänden saß sein Anwalt an dem kleinen Stahltisch. Løvengren ging zu ihm, und der Agent schloss die Tür hinter sich. Der Anwalt zog schweigend ein Handy aus der Tasche und warf einen unsicheren Blick zur Tür. Als das Handy vibrierte, reichte er es Løvengren.
» Ja?«
» Wir haben Ihre Anstrengungen zur Kenntnis genommen«, sagte eine metallische Stimme am anderen Ende.
» Es tut mir leid, dass die Operation nicht von Erfolg gekrönt war.«
» Erfolg ist ein relativer Begriff. Wir sind mit unseren langfristigen Bemühungen schon sehr weit gekommen.«
» Das freut mich«, entgegnete Løvengren. » Ich wünschte mir nur, ich könnte etwas für Sie tun.«
» Haben Sie Geduld, und seien Sie fest in Ihrem Glauben. Ihr gegenwärtiger Aufenthaltsort wird nicht von Dauer sein. Bald wird der Rat zusammentreten. Neue Initiativen werden beschlossen und neue Wege beschritten werden, bis wir zum endgültigen Schlag ausholen.«
» Ich bin bereit, ganz gleich, welche Rolle man mir zuerkennt.«
» Das freut uns, Karl. Sie werden sehr
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