Der wahre Feind: Kriminalroman (German Edition)
Vielmehr hatte sie ihm mehrmals den Arsch gerettet, nachdem er wieder mal seine Unfähigkeit unter Beweis gestellt hatte. Sie hatte sogar ihre schützende Hand über ihn gehalten, als aufkam, dass er im Zentralregister nach persönlichen Informationen über den neuen Mann seiner Exfrau gesucht hatte. Zum Dank hatte er sie angezeigt und die Früchte ihrer Arbeit geerntet.
Die ganze Sache barg enorme Risiken. Wenn die Überwachungsmaßnamen des PET aufflogen, bevor der Geheimdienst herausgefunden hatte, ob Faris schuldig war oder nicht, wären die Ermittlungen nicht nur gescheitert, sondern geradezu kontraproduktiv. Sie würden umso mehr den Hass schüren, noch mehr junge Muslime in die Arme der Islamisten treiben. Sie hatte ihr Leben lang hier gewohnt, kannte jeden Winkel und jedes Schlupfloch. Sie konnte sich hier weitgehend frei bewegen, ohne Verdacht auf sich zu ziehen. Kein Wunder, dass Nikolaj Storm sie kontaktiert hatte.
Sie wollten sie als Spitzel anwerben. War das nicht ein Angebot, das normalerweise ehemaligen Rockern oder Dealern gemacht wurde? Sie musste wirklich ganz unten angekommen sein. Doch wenn sie das Angebot annahm, bestand eine reelle Chance, Faris unter die Lupe zu nehmen, ohne die Situation zu verschlimmern. Außerdem würde Tom sich schwarzärgern, wenn sie zurückkehrte, sollte es auch nur für kurze Zeit sein.
12
Benjamin trank sein drittes Bier. Er hatte gehofft, im Snoopy würde etwas mehr los sein, aber es war noch früh am Abend und der Club noch halb leer. Zu Hause in seinem gemieteten Zimmer hatte er es nicht mehr ausgehalten. Dort hatte er das Gefühl gehabt, als kämen die Wände auf ihn zu. Mehrmals war er drauf und dran gewesen, die Jungs anzurufen und zu fragen, ob irgendwas Spannendes passiert war. Doch nach ihrer Flucht am vergangenen Freitag hatte er den Kontakt zu ihnen vorläufig abgebrochen. Die waren nicht so wie die Kameraden in seiner Einheit. Auf die hatte er sich hundertprozentig verlassen können. Sie hatten ihr Leben riskiert, um einander beizustehen. Es war eine harte Zeit gewesen in Helmand. Ihre Einheit hatte die größten Verluste erlitten, die bislang zu verzeichnen gewesen waren. Sechs von ihnen waren » der Länge nach« heimgekehrt. Und er mochte gar nicht daran denken, was die Jungs seines Zugs, die Delta-Jungs, hatten erleiden müssen. Nach der Heimkehr hatten sie sich in alle Winde zerstreut. Viele seiner Kameraden wohnten in Jütland. Obwohl sie versprochen hatten, sich zu besuchen, wusste er, dass dies niemals geschehen würde. Der Einzige aus seinem Zug, der in Seeland wohnte, war Funder, aber der lag als schlaffes Gemüse im Rigshospital. Ein einziges Mal hatte er ihn besucht. Es war so deprimierend gewesen, dass er nicht wiedergekommen war. Mit all den Schläuchen, die aus Funders Körper herausgeschaut hatten, dem Schädel, der von Schrauben an seinem Platz gehalten wurde, und den riesigen Narben im Gesicht sah er aus wie Frankensteins Monster, das von einem Panzer überfahren worden war. Es wäre das Humanste, das Beatmungsgerät abzuschalten, das ihn am Leben hielt.
Benjamin fantasierte davon, wie er sich ins Rigshospital schleichen und Funder von seinen Leiden erlösen würde. Ihn einfach abzuknallen würde zu viel Aufsehen erregen. Die Mauser war ja nicht gerade eine lautlose Waffe. Vielleicht wäre eine Überdosis das Richtige, aber dazu hätte er wissen müssen, wie er an die Präparate herankommen konnte, und das tat er nicht. Er konnte ihn auch mit dem Kissen ersticken, wie er das oft in Spielfilmen gesehen hatte. Das wäre das Einfachste, dachte er, wusste jedoch, dass es nur ein Gedankenspiel war. Bei dem Mädchen mit den pinkfarbenen Haaren bestellte er noch ein Bier. Sie wirkte mürrisch heute. Keine Spur mehr von den herausfordernden Blicken, die sie ihm neulich zugeworfen hatte. Er zweifelte daran, dass sie ihn wiedererkannte. Das Trinkgeld hatte sie schweigend entgegengenommen, ohne sich zu bedanken. Sie schien mehr damit beschäftigt zu sein, SMS zu verschicken, als ihre Kunden zu bedienen.
Er drehte eine Runde durchs Lokal, schon zum dritten Mal an diesem Abend. Die Tanzfläche war noch leer, die Sofas entlang den Wänden waren spärlich besetzt. Er hatte gehofft, Bjarne oder L. T. hier zu treffen. Seit letzten Freitag hatte er ständig an sie gedacht. Es ärgerte ihn, dass er damals so viel getrunken hatte. Er hätte gern mehr von ihrer Zeit in Afghanistan erfahren. Hätte gern gewusst, ob sie immer noch bei einer Spezialeinheit
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