Der wahre Feind: Kriminalroman (German Edition)
waren. Aber sie konnten ja noch kommen, und er hatte auch schon einstudiert, was er sagen würde. Er würde sie nicht direkt fragen, wo sie stationiert gewesen waren. Er hasste es selbst, wenn er danach gefragt wurde. Stattdessen würde er diskreter vorgehen. Die Pistole hatte er in die Jackentasche gesteckt. Wenn sie danach fragten, würde er lügen. Es ging sie nichts an, dass er bewaffnet war, dass er sich ohne Waffe unsicher fühlte. Ungeduldig schaute er sich um. Hier passierte rein gar nichts.
Verdammt!
Um halb drei hatten sie sich immer noch nicht blicken lassen. Benjamin gab die Hoffnung langsam auf und setzte sich an die Bar. In der Nähe standen dieselben Veteranen wie letztes Mal und prahlten mit ihren Erlebnissen. Er war diese Typen so leid. Das waren verdammte Loser, genau wie seine sogenannten Freunde. Das Lokal schwankte vor seinen Augen. Er schwor sich, kein weiteres Bier mehr zu trinken. Das Mädchen hinter der Theke mit den pinkfarbenen Haaren hatte ihn zunehmend ignoriert und es einem Kollegen überlassen, ihn zu bedienen. Er konnte sich nicht erinnern, sie in irgendeiner Form provoziert zu haben. Aber was machte das schon, sie war es nicht wert. Stattdessen blickte er zu der Frau hinüber, die weiter hinten an der Bar saß. Auch sie hatte schon in seine Richtung geschaut, während sie eine Stunde lang an ihrem hellroten Cocktail genuckelt hatte. Sie war kräftig gebaut und hatte viel zu viel Make-up aufgelegt, was sie wie eine Karikatur aussehen ließ.
Als der Barkeeper fragte, was er haben wolle, zeigte er auf sein Bierglas. Er schaute die Frau fragend an, ob sie auch eines wolle. Sie nickte, und Benjamin bestellte zwei Bier. Die Frau stand auf und kam zu ihm herüber.
» Hallo, ich heiße Eva.«
» Wie die erste Frau auf Erden«, entgegnete er und stellte das Bier vor sie hin. » Ich heiße Benjamin.«
» Danke, Benjamin«, sagte sie lächelnd.
Wenn sie lächelt, ist sie noch hässlicher, dachte er. Er fragte sich, warum er sie überhaupt eingeladen hatte. Er musste ein sehr großes Bedürfnis nach Gesellschaft haben.
» Du warst im Ausland stationiert, nicht wahr?«, sagte sie mit schmeichelndem Blick.
» Sieht man mir das an?«, fragte er und verzog das Gesicht.
» Afghanistan?«, fragte sie und trank gierig aus der Flasche.
Er nickte.
» Bist du Offizier?«
Die Frage wunderte ihn. » Nein, einfacher Soldat.«
» Aha«, sagte sie und sah enttäuscht aus.
» Aber ich habe eine Medaille bekommen.« Im nächsten Moment bedauerte er es bereits, das gesagt zu haben. Er trank von seinem Bier und hoffte, sie habe die Bemerkung überhört.
» Was für eine Medaille?«, fragte sie misstrauisch.
» Eine Tapferkeitsmedaille.«
» Du lügst! Von denen haben sie insgesamt nur sechs vergeben.«
Er drehte sich mit dem Barhocker herum, sodass er ihr direkt gegenübersaß. Seine Beine befanden sich zwischen ihren. » Unglaublich, wie viel du weißt. Warst du etwa selbst dabei?«, fragte er ironisch.
Sie schüttelte den Kopf. » Nein, aber mein Ex. Dritte Kompanie. Meinetwegen hätte er ruhig da unten bleiben können. Das dumme Schwein.«
Sie leerte ihr Bier, und Benjamin bestellte ihr ein neues.
Eva musterte ihn von Kopf bis Fuß. » Ich respektiere, dass du bei der Truppe warst, aber das gibt dir nicht das Recht, mit Medaillen zu prahlen, die du nicht bekommen hast. Das setzt diejenigen herab, die wirklich eine bekommen haben.«
Benjamin ließ seine Hand in die Jackentasche gleiten. Spürte zuerst die Pistole und bekam dann eine Kordel zu fassen. Er zog die Medaille aus der Tasche und zeigte sie ihr diskret unterhalb der Theke.
Eva machte große Augen und schlug ihm neckisch auf den Arm. » Fuck, du hast nicht gelogen!«
» Ich lüge nie.«
» Wofür hast du die gekriegt? Was hast du getan?«
» Ist doch egal«, antwortete Benjamin und ließ die Medaille wieder in der Tasche verschwinden.
Eva sah ihn beeindruckt an. » Dann bist du ja ein richtiger Held!«
» Na ja.«
Der Barkeeper brachte das Bier, und Benjamin bezahlte die Rechnung. Er spürte, wie sie die Innenseite ihres Schenkels gegen seinen presste. So was erlebte er zum ersten Mal, seit er nach Hause gekommen war. Es war wirklich peinlich, wenn er daran dachte, wann er das letzte Mal mit einer Frau zusammengewesen war. Geradezu erschreckend.
Sie standen im dunklen Flur. Sie brachte ihn zum Schweigen und zog ihn rasch ins Schlafzimmer. Im Taxi hatte er zu erkennen gegeben, dass er sie nicht mit zu sich nehmen wollte. Sein
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