Der wahre Feind: Kriminalroman (German Edition)
hätten einem von ihnen ein Glas an den Kopf geworfen. Ist das richtig?«
Benjamin schaute dem Beamten über die Schulter, konnte die Ausländer aber nicht mehr entdecken.
» Der Typ ist über seine eigenen Füße gestolpert«, erklärte der Mann, ehe Benjamin antworten konnte.
Der Polizist schien ihm nicht zu glauben, sagte jedoch nichts. Der andere Beamte bat um ihre Personenkennnummern, um später seinen Bericht schreiben zu können. Er gab Benjamin noch eine Ermahnung mit auf den Weg, ehe er und die übrigen Beamten verschwanden. Die Musik wurde wieder angestellt.
» Komm mit an unseren Tisch«, sagte der Mann. Es klang wie ein Befehl.
Benjamin blickte sich nach seinen Freunden um, die sich längst aus dem Staub gemacht hatten. Wenn’s drauf ankommt, zogen sie den Schwanz ein, dachte er.
Im hintersten Winkel des Lokals, weit von der Tanzfläche entfernt, saßen sechs Männer um einen kleinen Tisch.
Sie waren alle etwa Mitte dreißig, durchtrainiert und braun gebrannt. Teuer und exklusiv gekleidet. Sie musterten Benjamin aufmerksam, wie eine Horde von Raubtieren, die sich um ein Wasserloch geschart hatten und noch nicht sicher waren, was sie mit dem Neuankömmling anfangen sollten.
Benjamin gab ihnen reihum die Hand und stellte sich vor. Sie lächelten reserviert. Er bemerkte die teuren Rolex-Uhren an den Handgelenken.
» Setz dich doch«, sagte derjenige, der ihm am nächsten saß, und zog einen Stuhl heran. Er hatte einen sorgsam getrimmten Vollbart und ein freundliches Lächeln. » Ich heiße Lars, werde aber meistens L. T. genannt.«
» Bjarne«, sagte der muskulöse Mann und setzte sich Benjamin gegenüber. Benjamin fühlte sich zwischen den beiden regelrecht eingekeilt.
L. T. bot ihm von der Flasche Single Malt an, die auf dem Tisch stand.
Benjamin fragte sich, warum Bjarne ihn dem Polizisten gegenüber als seinen Kameraden bezeichnet hatte. Das konnte nur daran liegen, dass Bjarne selbst im Ausland stationiert gewesen war.
» Das Glas, das du nach dem Typen geworfen hast, war ein Volltreffer«, sagte Bjarne. » Daran wird er sich jetzt ständig erinnern, wenn er in den Spiegel schaut.«
Sie stießen miteinander an und tranken. Der Whisky brannte angenehm in der Kehle. Das war ein guter Tropfen, nicht so ein Gesöff, das er sonst runterkippte.
» Hier«, sagte Bjarne und gab ihm unter dem Tisch seine Mauser zurück. Es war vorhin alles so schnell gegangen, dass Benjamin gar nicht gemerkt hatte, wer ihm die Pistole abgenommen hatte. Er schob sie in seinen Hosenbund zurück und sorgte dafür, dass das T-Shirt sie verdeckte.
» Die Knarre in die Stadt mitzunehmen, war das Dümmste, was du tun konntest«, sagte L. T.
Benjamin sah zu Boden. » Ich wollte mich eben schützen.«
» Wenn du dich schützen willst, gehst du zu einem dieser Automaten auf die Toilette. Für alles andere hat man seine Freunde«, sagte er mit einem Lächeln.
Benjamin nickte. » War gerade beides nicht in der Nähe.«
» Bist du immer noch bei der Truppe?«
Er schüttelte den Kopf. » Ist schon drei, vier Monate her, dass ich nach Hause gekommen bin.«
» Afghanistan?«
Er nickte.
» Und, hat sich’s gelohnt?«
Er wusste nicht, was L. T. mit dieser seltsamen Frage meinte, und hatte keine Lust, sich durch eine unpassende Antwort zu blamieren.
» War okay«, antwortete er bloß.
» Und jetzt schlägst du deine Zeit tot wie diese Vollidioten?« Bjarne schaute ihn streng an.
Benjamin schüttelte den Kopf. » Nein, ich, äh … ich würde gern zur Polizei, also zur Polizeischule gehen.«
Bjarne nickte anerkennend. » Damit du auch im Alltag mit einer Waffe rumlaufen kannst.«
Die anderen Männer grinsten.
L. T. beugte sich vor. » Dann solltest du mit diesem Ding verdammt vorsichtig sein. Wenn die Bullen dich erwischen, kannst du deine Pläne vergessen.«
Benjamin nickte und kam sich ziemlich blöd vor. Er wusste sehr genau, warum er die Pistole mitgenommen hatte. Warum er sie stets dabeihatte. Das war wegen der Anfälle. Wegen der Paranoia, die ihn von einer Sekunde auf die andere überfallen konnte. Der kalte Stahl an seinem Bauch gab ihm das Gefühl von Sicherheit. Aber das konnte er ihnen nicht sagen. Das konnte er niemandem sagen.
» Bei welcher Einheit wart ihr stationiert?«, fragte er.
» Bei gar keiner«, antwortete L. T. und lehnte sich zurück.
Bestimmt Elitesoldaten, dachte Benjamin, fragte jedoch nicht weiter. Er war in bester Gesellschaft gelandet. Das hier waren richtige Krieger und keine
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