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Der wahre Sohn

Der wahre Sohn

Titel: Der wahre Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Kühl
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muss Ihnen etwas sagen», flüsterte Arkadij. «Sie wollten nicht, dass Sie noch einmal kommen. Aber ich muss es Ihnen sagen. Dass mein Vater tot ist, ändert alles.»
    «Was meinen Sie?»
    «Damit ist die letzte Barriere gefallen. Von nun an brauchen wir keine Rücksicht mehr zu nehmen.»
    «Rücksicht worauf? Ich verstehe Sie nicht.»
    «Ich habe immer Angst um meinen Vater gehabt. Er hat so viel mitgemacht, er war so zart. Wenn er jetzt tot ist, brauche ich keine Angst mehr zu haben. Dann bin ich frei und kann hier raus.»
    «Die Entscheidung liegt wohl nicht bei Ihnen», sagte Konrad.
    «Doch. Ich hau ab.»
    «Wo wollen Sie denn hin?»
    «Dorthin, wo ich herkomme.»
    «Nehmen wir einmal an, Ihr Vater ist tatsächlich gewaltsam zu Tode gekommen», sagte Konrad. «Auszuschließen ist es ja nicht. Könnte das nicht etwas mit dem Auto zu tun haben?»
    Arkadij sah ihn verständnislos an. «Was meinen Sie jetzt mit Auto?»
    «Na, Sie wissen schon, Auto. Ein Haufen Blech mit vier Rädern drunter.»
    «Bei Ihnen wechseln die Bedeutungen ganz schön schnell», staunte Arkadij, und Konrad wusste nicht, ob er sich über ihn lustig machte.
    «Überlegen Sie doch mal – Ihr Vater meldet einen Mercedes an, und kurz darauf stirbt er. So schnell hintereinander, das ist doch auffällig. Und Sie sagen mir ja, er wurde bedroht!»
    Arkadij schien angestrengt nachzudenken. «Jemand wollte, dass er nicht mehr reden kann?»
    «Genau. Und das kann er jetzt nicht mehr. Deshalb müssen wir nun herauskriegen, was passiert ist», sagte Konrad.
    Arkadij sank aufs Bett zurück.
    «Gute Nacht.»
     
    Noch am nächsten Morgen, auf dem Weg zu Mazepa, grübelte er, was Arkadij mit dieser wechselnden Bedeutung gemeint haben könnte.
    «Ich weiß, Sie halten meine Ermittlungen für unprofessionell, aber gestern habe ich etwas erfahren, das vielleicht wichtig ist.»
    «Spucken Sie’s aus.»
    Mazepas Hand zitterte, als er die Zigarette abklopfte. Die Asche landete auf dem breiten Rand des gläsernen Aschenbechers. Der Mann hatte also auch mal einen schlechten Tag. Vielleicht einen Kater. Es wäre Konrad nur recht. Mazepas Wangen waren gerötet, am Kinn klebte ein rundes Pflästerchen.
    «Irgendwas passiert?», fragte Konrad.
    «Hryciuk ist tot.»
    «Der Informant?»
    Mazepa nickte mit zusammengekniffenen Lippen. «Sie haben ihn unten am Dnjepr gefunden. Auf das flache Kieselufer geschwemmt. Mit einem kleinen Loch im Schädel. Wissen Sie, was das bedeutet?»
    «Ja, es …»
    «Es bedeutet», schrie Mazepa plötzlich, und seine helle Haut wurde fleckig, «dass sie Bescheid wissen. Sie haben mitbekommen, dass wir hinter dem Wagen her sind. Das ist die größte Scheiße. Und ich weiß verflucht noch nicht mal, ob nicht Ihre Witwe dahintersteckt.»
    «Unsinn. Sie kennt gar keinen Holota.»
    «Was?» Mazepa drehte sich halb zu ihm um, bevor er erstarrte.
    «Ich habe sie …»
    «Sie haben mit ihr darüber gesprochen?»
    «Aber ganz nebenher. Hab nur gefragt, ob er auch auf der Beerdigung war.»
    Mazepa erhob sich. Er stand ein paar Sekunden unnatürlich ruhig da. Dann trat er mit voller Wucht gegen den Metallschrank, auf dem das Faxgerät stand. Zwei Schubladen sprangen heraus, Papier segelte zu Boden, der Apparat hing gerade noch auf der Kante des Möbels. Danach war er wieder kalt wie Eis. «Das wär’s. Haben Sie noch Fragen?»
    «Natürlich. Deshalb bin ich ja gekommen. Der Sohn von Jurij Solowjow hat die Vermutung geäußert, dass sein Vater bedroht worden sei. Er glaubt nicht, dass er eines natürlichen Todes gestorben ist.»
    «Welcher Sohn?», fragte Mazepa gereizt. Er sah ihm nicht einmal mehr in die Augen.
    «Er ist – hatte ich Ihnen das nicht gesagt? Er sitzt in einer Klinik. Chronisch krank.»
    «Bald sind Sie ja bei den Tanten und Onkeln dieser Familie angelangt. Hat dieser Sohn Gründe für seine Vermutung geäußert?»
    «Nein. Aber nehmen wir mal an, es stimmt. Dann liegt es doch nahe, an Holota zu denken. Vielleicht hat der ihn bedroht.»
    «Möglich. Ich konnte mich noch nicht näher mit Holota befassen. Hab hier eine Menge anderer Diebstahlsfälle –» Mazepa wies auf einen Stapel Papier.
    «Sie konnten noch nicht?»
    «Die Frage ist, ob ich überhaupt will.»
    «Aber ich kann nicht ewig hierbleiben. Das Hotel kostet, meine Zeit läuft ab.»
    «Das sehen Sie, glaube ich, richtig. Apropos, Herr Muschter will Sie morgen um zwölf im Hotel anrufen.»
     
    «So etwas wie gestern darf nicht mehr passieren», sagte Prokoptschuk, als

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