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Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Titel: Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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herum flackerten Gespräche wie Funken des Lagerfeuers auf und erloschen. In diesen Gesprächen wurde jeder Traum und jedes Märchen zu einer wahren Geschichte, sodass der Geschmack des Eintopfs sich plötzlich verlor und zum Geschmack der Vergangenheit wurde, von etwas, das seit langem in Vergessenheit geraten war, zum Zeichen eines seit alters her bestehenden Elends, nach dem nun ein neues, in Freude und Gerechtigkeit erblühendes Leben anbrach.
    Der bucklige Buchhalter saß nicht weit entfernt, löffelte ebenfalls seinen Eintopf und schmatzte und schlürfte dabei laut. Neben ihm aß eine große und schöne Bäuerin mit vollem Haar, das am Scheitel zu einem straffen braunen Knoten zusammengebunden war. Und irgendwie gelang es dem buckligen Buchhalter zu essen und zugleich, ohne sein Schmatzen dabei zu unterbrechen, mit dieser Bäuerin zu sprechen, sie anzulächeln und ihr darüber hinaus noch zuzuhören. Der Umstand, dass beide lächelten und sich manchmal sogar die mit Eintopf vollgestopften Bäuche vor Lachen hielten, zeugte von ihrer guten Stimmung und von ihrem einfachen, aber wahrhaftigen Glück. Und das Gleiche konnte man von vielen sagen.
    Nachdem der Eintopf aufgegessen und zwei Eimer Wasser zum Ausspülen in den Kessel gegossen worden waren, standen die meisten auf, nahmen Reisig von einem dort liegenden Haufen und gingen zu ihren neu gebauten Ställen, um sich in der Behausung eine Bank und einen Ofen auszusuchen, der ihnen am gemütlichsten erschien.
    Der Engel und Katja gingen in den ersten Stall, eben dorthin, wo sie am Tag zuvor neben dem einzigen geheizten Ofen gesessen hatten. Dieses Mal waren weniger Menschen im Stall. Auf einigen Bänken hatten aufmerksame Hände bereits abgemähtes Gras oder gesammeltes Heu ausgebreitet, und auf einer Bank lag sogar eine dem Anschein nach angenehm weiche Matratze. Ein frisches Feuer brachte alle drei Öfen von innen heraus zum Leuchten – offenbar waren diese gerade erst angeheizt worden. Es roch nach feuchtem Lehm, und in diesem Geruch lag etwas Angenehmes, denn der luftige Beigeschmack des Lagerfeuers mischte sich darin.
    Auch Archipka-Stepan befand sich hier, er hatte sich auf eine Bank gelegt, die dem ersten Ofen am nächsten stand. Er starrte in das Feuer, das man sehen konnte, weil bei den Lehmöfen jegliche Türchen fehlten. Seine Lippen bewegten sich stumm, was bedeutete, dass er immer noch über etwas nachsann, vielleicht über die Vergangenheit, vielleicht aber auch über die Zukunft.
    Durch die sperrangelweit geöffnete Stalltür fiel der Mondschein auf den Erdboden. Offenbar zog Luft durch die Tür herein, denn das Feuer im Ofen loderte plötzlich auf und die Flammenzungen neigten sich wie im Tanz bald in die eine, bald in die andere Richtung. Dann wieder hielten sie inne, senkten sich zum brennenden Reisig herab und wurden zu roten Zwergen, die zart und schwach über das Holz glitten.
    Der Engel und Katja wählten zwei Bänke aus, die mit dem Kopf zur Holzinnenwand standen und sich genau hinter jener Bank befanden, die jetzt Archipka-Stepan einnahm. Nun konnten also auch sie das Feuer im Ofen sehen.
    Jeder saß auf seiner Bank und sie hatten einander das Gesicht zugewandt. Zwischen ihnen lagen nicht mehr als anderthalb Schritte, vielleicht sogar weniger. Da ergriff den Engel plötzlich ein Gefühl von Fürsorglichkeit für Katja, und nachdem er ihr auf merkwürdige Weise zugenickt hatte, verließ er den Stall und beschloss, Gras oder etwas anderes Weiches für ihre Bänke zu besorgen.
    Die Sterne leuchteten in dieser Nacht so intensiv, als wäre die Sonne in kleine Stückchen zersplittert. Ihr Glanz war so stark, dass das hohe Gras davon Schatten warf. Am Hang mähten einige Männer Gras, offenbar ebenfalls für ein bequemeres Nachtlager.
    „He, Engel, bist du das?“, ließ sich eine bekannte Stimme vernehmen.
    „Ja“, nickte der Engel.
    „Bist du etwa auch Gras holen gekommen?“, fragte die Stimme. „Aber warum denn ohne Sense?“
    „Ich habe keine“, gestand der Engel und sogleich fiel ihm ein, dass er, selbst wenn er eine gehabt hätte, nicht so geschickt wie die Bauern hätte Gras für sich und Katja abmähen können.
    „Na, komm her, nimm das, was ich schon gemäht habe! Ich mähe noch mehr für mich! Ich liebe diese Arbeit!“, bot die Stimme an.
    Der Engel ging auf den Mann zu, doch konnte er sein Gesicht nicht erkennen, da dieser auf den Boden sah und daher nicht einmal die strahlenden Sterne sein Gesicht beleuchteten.
    Als er

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