Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Titel: Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
Vom Netzwerk:
sondern natürlich auch durch ihren intelligenten Blick, ihre gleichmäßigen Bewegungen und – das Erstaunlichste – die deutliche Gegenwart einer Seele, deren Existenz sie so vehement leugnete! Der Engel war überzeugt davon, dass ihn ebenjene Gegenwart ihrer Seele anzog, denn gemeinsam mit dieser Seele strahlte sie ein wunderbares Leuchten aus, das nur mit unsichtbaren Sonnenstrahlen zu vergleichen war. Allerdings enthielt dieses Leuchten einen schwachen purpurroten Schimmer, der den Engel irgendwie erschreckte und bestürzte. Er fühlte jedoch, dass dieser Schimmer nicht stark und möglicherweise nur vorübergehend war. Und so wartete der Engel auf jedes Zusammentreffen mit dem hellblonden Mädchen, denn er wartete darauf, dieses Leuchten auf sich zu spüren, um sich an ihrer Seele zu wärmen. Bis zu jedem Treffen aber, bis zu jedem späten Abend, wenn die Siedler ihre Arbeiten beendeten, musste man sich abplagen und abmühen, ohne an die Müdigkeit oder gar an etwas anderes, etwas Ernsthaftes zu denken.
    Und auch an diesem Tag wurde es nur langsam Abend. Nachdem der Engel einen riesigen Kessel mit Wasser gefüllt hatte, ging er wieder zum Fluss, diesmal aber um Reisig für das Feuer zu holen. Eine rundliche, noch junge Frau mit einem Gesicht, so rund wie eine Untertasse und von Sommersprossen übersät, erbot sich, ihn zu begleiten.
    „Warum sollst du so oft gehen, wenn wir das Holz gemeinsam schneller hinauftragen können!“, sagte sie und in ihren Worten steckte eine ganz alltägliche Wahrheit, vielleicht war es auch einfach der Wunsch, dem seltsamen Mann zu helfen, den es zur Frauenarbeit verschlagen hatte und der sich nicht den Männern – den Bauarbeitern, Bauern oder Rotarmisten – angeschlossen hatte.
    Gemeinsam stiegen sie den Hügel hinab und begegneten dabei den Rotarmistenjägern, die gerade wieder zurückkehrten. Jeder trug ein Stück Wild, darunter Hasen, die an den Hinterpfoten zusammengebunden waren, als auch ein paar Füchse und Rebhühner und anderes Geflügel. Die Rotarmisten waren fröhlich und zufrieden, in ihren Augen glänzte der Stolz über ihre Beute. Ihr Stolz war so offensichtlich, dass der Engel für einen Augenblick ihnen gegenüber Neid verspürte, er erschrak jedoch sogleich über dieses fremde Gefühl. Woher kam das nur?! Worauf war er neidisch? Man konnte doch auf keinen Fall stolz darauf sein, zu töten und lebendige Geschöpfe Gottes zu erschießen?!
    Schon kehrten die Bauern vom Feld zurück. Die Bauarbeiter kamen nach getaner Arbeit zum großen Kessel, aus dem sie zum Lohn für ihre Mühen zu essen bekommen würden. Und die Rotarmisten, die nicht weit entfernt Platz genommen hatten, reinigten eifrig ihre Gewehre und sprachen dabei mit gedämpfter Stimme über die Annehmlichkeiten dieses Lebens. Gemeinsam mit einem anderen Soldaten zog Trofim den Füchsen und Hasen die Felle ab.
    Auch der Ofensetzer Sachar kam zum Kessel. Er bat um etwas Wasser, um sich die Hände zu waschen, und teilte ganz nebenbei mit, dass alle Öfen fertig wären und nur noch von innen erhitzt werden müssten. Ab dem nächsten Tag, setzte er fort, werde er Schüsseln aus Lehm herstellen, damit jeder in der Kommune eine eigene haben könne, und erst dann werde sich sein größter Traum erfüllen – unten am Fluss einen großen Räucherofen aufzustellen, den er selbst erfunden hatte. Das werde auf der ganzen Welt der einzige Ofen dieser Art sein und man werde darin sowohl einen ganzen Bären, als auch einen ganzen Elch räuchern können! Wer sein Versprechen vernommen hatte, schluckte gierig und blickte Sachar mit großem Respekt an.
    An diesem Abend gab es Eintopf aus verschiedenen Getreidesorten, die von den Bauern in Bündeln und Säcken gesammelt und mitgebracht worden waren.
    Es wurde gierig und mit Appetit gegessen, und im Eintopf war alles reichlich vorhanden – Salz ebenso wie getrocknete Petersilie und noch etwas anderes, das zum Geschmack des Gerichts beitrug.
    Der Abend senkte sich auf die Erde herab und der Hügel war unmerklich in den Schatten geraten. Die Siedler blieben mit einer einzigen Lichtquelle zurück – dem großen Feuer, über dem der riesige Kessel hing mit einem Nachschlag von dem Eintopf für alle, die sich von Herzen gern den Bauch vollschlugen.
    Wieder saßen der Engel und Katja nebeneinander und aßen aus einer Blechschüssel, die ihnen jemand gab, der seine Ration bereits gegessen hatte. Erneut schwiegen sie und warfen einander nur hin und wieder Blicke zu. Um sie

Weitere Kostenlose Bücher