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Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Titel: Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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sagt, dass jetzt die Geschenke verteilt werden.
    Die Kinder stürzen auf die Tanne zu, gerade dass sie sich nicht in die Haare kriegen, weil die Haufen von Geschenken und Bonbons, die über den ganzen Boden verstreut sind, durcheinandergeraten.
    „Ach“, der Führer schüttelt mitleidig den Kopf und sieht Genosse Kalinin vorwurfsvoll an. „Wer teilt denn so Geschenke aus?! Du hättest abwarten und ihnen dann sagen müssen, dass sie dir ihre Hände entgegenstrecken und aufhalten sollen. Dann hättest du etwas aus dem Sack herausgeholt und der Reihe nach in jede Hand etwas hineingelegt …“
    Genosse Kalinin steht mit niedergeschlagenem Blick da. Der Fehler ist ihm peinlich, aber Großväterchen Lenin ist nicht nachtragend, er klopft Väterchen Frost bereits nach ein paar Minuten auf die Schulter und sagt:
    „Was soll’s, wir müssen weitergehen, auf uns warten noch viele Kinder!“
    Und nachdem sie sich von Dobrynin und Manjascha verabschiedet haben, gehen sie. Und dann kommen die Rotarmisten in die Stube gelaufen, nehmen die geschmückte Tanne und entfernen sich.
    Auch Dobrynin geht hinaus, um ihnen nachzuschauen. Das Schneegestöber hat nachgelassen und er kann sehen, wie alle vier in eine andere Straße einbiegen, während sie sich lebhaft über etwas unterhalten und ziemlich laut lachen.
    Schon sind sie weg, Pawel aber steht immer noch dort und der Schneesturm beginnt nach einer kurzen Pause wieder stärker zu werden. Wieder tobt er und heult gedehnt auf und schleudert Pawel ein paar Handvoll trockenen, eisigen Schnee ins Gesicht. Der aber steht da, als würde er die Kälte gar nicht spüren, steht nur da und schläft im Stehen ein, und fühlt dabei, wie ihm innen ganz warm und gemütlich zumute ist, trotz des ganzen Geheules. Er hört es zwar, aber der Lärm dringt wie durch eine dicke Wand zu ihm durch, so als würde er bei sich zu Hause sitzen, während das Schneegestöber draußen wütet. Und da wird ihm, trotz der inneren Gemütlichkeit, langweilig ohne Lenin … Und der Hund Mitka heult von seiner Hütte aus unerträglich jämmerlich das Schneegestöber an, wie ein Waisenkind. Pawel will den geliebten Hund streicheln, er geht zu seiner hölzernen Behausung, steckt die Hand hinein und spürt plötzlich einen scharfen Schmerz in den Fingern, so als ob er sich mit heißem Wasser verbrüht hätte.
    „Aaah!“, schrie er im Schlaf und wachte auf, vom Schmerz erschrocken.
    Es stellte sich heraus, dass er den Ofen gestreichelt hatte, der zwar fast erloschen, aber noch immer heiß war. Pawel setzte sich daneben, blies auf die Finger der rechten Hand wie auf eine Tasse mit heißem Wasser. Er fühlte sich etwas besser und beruhigte sich. Er bedauerte, dass er weder eine Taschen-, noch eine Armbanduhr besaß, so hätte er ungefähr herausfinden können, wie lange er geschlafen hatte und wie viel Zeit vergangen war, seit Fjodor und der Pilot losgegangen waren.
    Draußen heulte es nach wie vor, es tobten die Schneemassen, die der Wind durcheinanderwirbelte.
    Dobrynin stand auf, entzündete an einem Stückchen Kohle aus dem Ofen die Petroleumlampe und machte sich bereit, Flechtenstücke zu holen. Für alle Fälle zog er die Axt aus dem Reisesack und wickelte sich noch fester in den Pelz. Dann warf er einen prüfenden Blick auf das Pferd – es stand friedlich da. Er sah sich suchend nach einer Art von Korb für die Flechten um, fand aber nur einen Eimer unter dem Tisch. Er nahm ihn und trat hinaus in den Sturm. Die Hände wurden ohne Fäustlinge ganz steif, denn damit hatte ihn Fjodor nicht ausgestattet. Pawel beachtete den Schnee nicht, der ihm in die Augen wehte, bog nach der Tür rechts ab, ging die Wand entlang und tastete mit den Händen nach den Flechten. Er fand einige gefrorene und an den Balken vereiste Stücke, die er jedoch nicht von der Wand zu reißen vermochte, nicht einmal die Axt half dabei. Pawel mühte sich lange ab, bis er fühlte, dass seine Finger ihm nicht mehr gehorchten. Erst da kehrte er wieder ins Haus zurück und ließ den Eimer irgendwo unterhalb der Außenwand stehen. Er lief ins Zimmer und gleich zum Ofen, um seine Hände zu wärmen. Das tat er lange, und da er bequem mit den durchfrorenen Händen das Metall des ehemaligen Fasses angreifen konnte, erkannte er, dass der Ofen allmählich auskühlte. Er begann, die Nerven zu verlieren, denn ein Schrecken erfasste ihn, wenn er sich vorstellte, dass der Ofen ausgehen könnte und Wände und Fußboden sich mit Eis überziehen würden.
    Die

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