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Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Titel: Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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Hände waren wieder warm geworden und auch die Finger ließen sich krümmen und strecken, ganz so wie die Natur das vorgesehen hatte. Da fiel Pawel das Brennholz ein, das im Flugzeug für Fjodor mitgeschickt worden war. Es galt also, hinters Haus zu gehen, dorthin, wo Walerij Palytsch seine geflügelte Maschine abgestellt hatte. Es galt, hineinzuklettern, das Brennholz zu suchen und es ins Haus zum Ofen zu schleppen, sonst, Gott bewahre, würden Fjodor und der Pilot, wenn sie zurückkehrten, im Haus nur Frost und zwei Leichen vorfinden: ihn, Pawel, und sein Pferd Grigorij.
    Von diesem Gedanken aufgerüttelt ging Pawel wieder zur Tür, wobei er die Axt auf dem Boden neben dem Ofen zurückließ. Er trat hinaus, bahnte sich an der Wand einen Weg entlang und entdeckte den aus den Schneemassen herausragenden Flügel des Flugzeugs. Unterhalb davon gelangte er bis zur Metallverkleidung, ertastete mit den Händen, die wieder ganz klamm geworden waren, die seitliche Einstiegsluke, stieß sie auf und war ganz erstaunt, wie leicht sie aufging, so als hätte der Wind mitgeholfen; vielleicht war das auch tatsächlich der Fall. Pawel zog sich hoch und gelangte ins Flugzeug – dort hinein kam der tosende Wind nicht – und er kroch in der Dunkelheit nach hinten, wo der Toilettenkübel stehen musste. Er kroch ein paar Meter weiter, tastete die Dunkelheit um sich herum ab und war hocherfreut, als er durch die taub gewordene Haut seiner Finger einen rauen und knorrigen Holzscheit fühlen konnte. Er nahm ihn, dann tastete er mit rudernden Armen unter sich und fand so noch einen und noch einen dritten. Pawel presste die Holzscheite mit beiden Händen an seine Brust und kroch zum Ausgang. Von dort sprang er hinunter, ging blindlings auf die Hausmauer zu und gelangte an ihr entlang zur Tür. Er stürzte hinein und ließ dabei die Holzscheite zu Boden fallen. Wieder wärmte er seine Hände ein wenig und nahm sich die Axt vor, nachdem er zuvor den gusseisernen Riegel vor die Tür geschoben hatte. Er zerhackte die drei Holzscheite und warf die kleinsten Holzspäne in den Ofen, damit sie an den glimmenden Flechten Feuer fangen konnten. Und er setzte sich auf den Boden und wartete auf das Knistern. Das Holz fing im Ofen ziemlich schnell zu brennen an.
    Nachdem Pawel sich erholt hatte, schüttelte er den Petroleumkocher, zündete ihn an und stellte obenauf den Teekessel, in dem sich noch viel Wasser befand. Dann kochte er Tee und setzte sich mit einer dampfenden Osoawiachim-Tasse an den Tisch. Er holte die letzten beiden ganzen Zwiebackstücke aus seinem Reisesack, knabberte langsam an ihnen und trank mit kleinen Schlucken den starken, bitteren Tee dazu. Er begann ungeduldig auf die Rückkehr von Fjodor und dem Piloten zu warten und stellte sich vor, wie sie den Schlitten nach Hause brachten, der bis obenhin mit unterschiedlichem Proviant beladen war. Als er die leere Tasse auf den Tisch stellte, verschob er unabsichtlich die lange „Dominoschlange“ und beeilte sich sogleich, die Steine wieder zurechtzurücken, damit nichts durcheinandergeriet und man nach der Rückkehr der Gefährten zu Ende spielen konnte. Genauer, damit er diese Partie gewinnen konnte, obwohl natürlich alles davon abhing, wer den Stein „fünf-zwei“ haben würde.
    Es gab nichts zu tun, deshalb brühte Dobrynin wieder Tee auf, holte die beiden heimlich gehegten, im Kreml angebissenen Zwiebackstücke hervor, legte sie vor sich an den Rand der Tischplatte, sah sie lange und forschend an und dachte darüber nach, woran der Mensch so hängen konnte und wie seltsam das doch sei. Und so hing er seinen Gedanken nach, blickte unverwandt auf die Zwiebackstücke und trank dabei etwas Tee. Es war ein erstaunliches Gefühl, das die beiden Zwiebackstücke in Dobrynin weckten, obschon ihr Schicksal, wenn man das, was geschehen war, so nennen durfte, gleichermaßen erstaunlich war und ihn, den Volkskontrolleur, seltsamerweise an sein eigenes Leben erinnerte. Als er seine Gedanken fortsetzte, wurde Dobrynin außerdem klar, dass er diese Zwiebackstücke selbst nicht essen konnte, sogar wenn er vor Hunger sterben müsste. Ihm wurde auch klar, dass er sie bereitwillig dem Genossen Kalinin geben würde, sollte dieser Schwierigkeiten mit Nahrungsmitteln haben, und es könnte sogar geschehen, dass er ein Stück Zwieback seinem Hund Mitka geben würde, aber nur im Falle äußerster Not oder wenn es im Leben des Köters ein offensichtliches Verhängnis geben sollte. An sich selbst dachte er

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