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Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Titel: Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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versucht, diesen anzusehen, dann wird ihm unerträglich heiß, und er fliegt etwas zur Seite, was allein durch seinen Wunsch oder auch nur durch den Gedanken daran verursacht wird. Aber dennoch fliegen sie gemeinsam, fast nebeneinander, nach unten, und dieser Flug findet kein Ende. Dobrynin möchte gar nicht fallen. Er hat schreckliche Angst davor. Da ist schon besser, endlos lange zu fliegen. Und so fliegt er dahin und bemerkt, wie der Stern zu verblassen beginnt und nach einiger Zeit erlischt, und schließlich sieht Dobrynin nur mehr das schwach glühende Licht eines großen Gegenstands, der neben ihm her fliegt. Und Pawel wird kalt davon, und wieder benutzt er eine Kraft in sich, um sich im Flug diesem sterbenden Stern zu nähern, und er berührt ihn dabei mit der Hand. Und seine Finger fühlen einen kalten und nicht ganz glatten Stein.
    In seinen Ohren pfeift und heult es immer noch, und langsam ist Dobrynin von diesem endlosen Fallen erschöpft und als seine Sinne müde geworden sind, hört er auf, Angst zu haben, und schenkt der Kälte, die ihn einhüllt, keine Beachtung mehr. Eine Gleichgültigkeit löst all diese Gefühle ab. Dobrynin ist es inzwischen egal, ob er aufprallen wird oder weiter ins Unbekannte stürzen, das ja schließlich nur seine Zukunft sein kann und die Zukunft des ganzen Landes – eine dunkle und ewige Zukunft, voll von erlöschenden Sternen aus Stein, die neben den Menschen nach unten fliegen.

Kapitel 14
    In der zweiten Nacht auf dem Weg ins Neue Gelobte Land begannen die Reisenden ans Essen zu denken, aber nur der Deserteur, der den anderen, auch den beiden Rotarmisten, als Erster vorgeschlagen hatte, vom Auto zu springen, fing laut und recht ernsthaft davon zu sprechen an.
    „Wohin man auch gehen mag, zuallererst muss man sich den Bauch wenigstens mit irgendetwas vollschlagen!“, sagte er.
    Alle stimmten dem zu, aber vom Zustimmen allein wurde man auch nicht satt. Und da legten die beiden Rotarmisten, inzwischen natürlich ehemalige oder anders gesagt flüchtige Rotarmisten, militärische Gewitztheit an den Tag. Sie boten an, sich zum nächstgelegenen Dorf aufzumachen und dort von Bauern auf die ihnen vertraute Weise Proviant zu organisieren.
    Damit setzten sie ihre nächtliche Reise fort.
    Oben leuchteten die Sterne, große und kleine, helle und matte, und alles an ihnen war so wie bei den Menschen. Möglicherweise hatten sie sogar unterschiedliche Typen und Nationalitäten und vielleicht unterschieden sie sich auch durch ihren Glauben und erstrahlten deshalb auf so vielfältige Art. Und mitten unter ihnen leuchtete ein nicht allzu heller Stern, der sich am Himmel nicht sonderlich hervortat, aber über eine enorme innere magnetische Kraft verfügte, ganz wie ein russischer Mensch, ein Stern mit dem Namen Archipka. Er leuchtete und rief auf diese Weise zu sich, damit jeder, der ihm folgte, sich auf halbem Weg zu dem Ort wiederfand, von dem alle Menschen auf der Erde nachts, aber auch im gewöhnlichen Leben träumen.
    Und mitten unter diesen Sternenhaufen spazierte der Viertelmond auf und ab, wie ein berittener Milizionär inmitten von Straßenlärm und Unordnung. Und es war ganz so, als ob die Wanderer deutlich sehen könnten, wie die Sterne, in deren Nähe der Viertelmond erschien, gleichmäßiger und in gewisser Weise bereitwilliger zu leuchten begannen, als stünden sie unter der Aufsicht eines guten, aber strengen Himmelswächters. Das fiel auch dem Engel auf, der schweigend dahinging und in Gedanken ihre Ankunft am erwünschten Ort erwartete.
    Manchmal flog ein Nachtvogel über sie hinweg und stieß rätselhafte und überirdische Laute aus. Auch andere Geräusche waren in der nächtlichen Natur zu vernehmen, aber sie klangen leise und harmlos.
    „Dort ist ein Feuer!“, rief der entflohene Kolchosbauer, der voranging, plötzlich fröhlich aus. Alle schraken zusammen, da jeder insgeheim über etwas Persönliches nachdachte, aber keiner an den Weg, über den seine Füße schritten.
    „Wo?“, fragte der Rotarmist mit der kaputten Waffe und blickte aufmerksam um sich, wo es überall gleich dunkel war.
    „Na dort drüben!“, zeigte der entflohene Kolchosbauer mit der Hand. Der Rotarmist ließ seinen Augen etwas Zeit und erblickte wirklich ein schwaches Feuer, matter als ein kaum sichtbarer Stern.
    Die Übrigen versammelten sich sogleich hinter dem Rotarmisten und sahen das Feuer ebenfalls.
    „Wir müssen ein bisschen näher herankommen, dann können wir dort Proviant

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