Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman
seinen Augen wurde der Teppich dunkel, während er sich mit dem Inhalt vollsog.
In seinem Mund kratzte es.
Kusma sah sich um und blickte mit dem linken Auge seinen Herrn an.
Der drückende, faulige Geruch des Erdöls erfüllte das Abteil.
Mark versuchte, das Fenster zu öffnen, aber offenbar hatte man für den Winter den Griff zum Öffnen abgeschraubt.
Jemand klopfte an die Tür.
Erschrocken verriegelte Mark das Schloss und fragte dann:
„Wer ist da?“
„Wünschen Sie Tee?“, erklang eine männliche Stimme mit bekanntem Akzent.
„Nein!“, rief Mark. „Ich schlafe schon!“
„Gute Nacht!“, sagte die Stimme und ertönte etwas leiser gleich noch einmal, wahrscheinlich an der Nachbarstür: „Wünschen Sie Tee?“
„Ja“, antwortete eine angenehme weibliche Stimme. „Einmal Tee und Kekse!“
Mark saß auf dem Diwan und dachte nach. Er dachte darüber nach, dass ihn Unannehmlichkeiten wegen der Beschädigung des Teppichs erwarten würden, und dass er am besten die Tür bis Kiew nicht öffnete, dass es am besten wäre, an irgendeiner Station auszusteigen und zwar so, dass ihn der Schaffner nicht sehen würde. Er dachte an diesen schrecklichen Geruch, in dem man jetzt würde schlafen müssen.
Die Nacht versprach stickig zu werden.
„Ob Kusma das aushält?“, dachte Mark nervös und sah den Vogel an.
Kapitel 17
Es wurde Abend. In dem sich verdichtenden Blau des Himmels funkelten die ersten Sterne. Die siebente Nacht auf dem Weg ins Neue Gelobte Land würde bald hereinbrechen. Die Menschen, deren Zahl schon einige Hundert betrug, hatten das Tageslicht in einer Schlucht nicht weit von einem verborgenen Städtchen abgewartet. Nun sammelten sie ihre Habseligkeiten zusammen und fanden auf den Feldweg hinaus, um von dort wieder auf die Straße zu gelangen.
„Archipka! Wo ist Archipka?“, rief der Deserteur, während er zwischen den Leuten auf und ab ging. Er nannte sich nun Oberdeserteur, da die gewöhnlichen Deserteure unter den Reisenden mehr geworden waren.
„Hier, hier bin ich!“, antwortete ihm der entflohene Kolchosbauer, der sie alle zur Gerechtigkeit führte. Er hatte es bereits gründlich satt, allen zu sagen, dass er nicht Archipka, sondern Stepan hieß, und deshalb antwortete er jetzt auf den Namen jenes Sterns, dem sie folgten. Er tat dies gerne und fühlte sich überhaupt nicht gekränkt.
„Na, warum trödelst du?“, schimpfte der Oberdeserteur. „Das Volk sucht dich und fragt, ob du etwa weggelaufen bist?“
„Warum sollte ich weglaufen?!“ Archipka-Stepan zuckte mit den Achseln und erhob sich.
„Also los, wir machen uns jetzt auf den Weg! Und dieser Engel, weißt du, wo der ist?“, versetzte der Oberdeserteur.
„Er war dort beim Haselstrauch!“ Der entflohene Kolchosbauer wies mit dem Kinn in die genannte Richtung.
„Aha“, sagte der Oberdeserteur. „Also los, gehen wir!“
Der Engel schlummerte noch. Seine Laune war ausgezeichnet.
Die letzten vier Nächte unterwegs erinnerten an ein Märchen. Zu den Menschen auf dem Weg ins Neue Gelobte Land waren zufällig einsame Wanderer gestoßen, die weiß der Teufel vor wem oder was davongelaufen waren oder sich nachts versteckten. Dann waren sie an einen von Lagerfeuern hell erleuchteten Ort gekommen, wo in der nächtlichen Dunkelheit eine große Baustelle betrieben wurde. Sie waren alle ganz dicht an diese Baustelle herangekommen und hatten auch gar keine Angst gehabt, da sie annahmen, dass man nachts nur etwas Geheimes und vor der Sowjetmacht Verborgenes bauen würde. Es hatte sich herausgestellt, dass diese Stoßbrigade neue Kuhställe nach der Stachanow-Methode baute – also ohne Schlaf und Pause. Die Kuhställe waren schon fast fertig, als sich die höchst verblüfften Arbeiter mit ihren vom Schlafmangel geschwollenen Augen von verschiedenstem Volk umringt sahen, aus dem zwischendrin auch Pferde- und Kuhmäuler hervorlugten. Die Verblüffung hielt lange an; als die Bauarbeiter allerdings erfahren hatten, wer sie da umringte und wohin diese Leute unterwegs waren, wollten sie auch sofort ins Neue Gelobte Land ziehen. Damit aber alles seine Ordnung hatte, führten sie innerhalb der Stachanow-Brigade eine Abstimmung durch. Es stellte sich heraus, dass alle dafür waren, nur der Brigadier war anfangs dagegen. Als er jedoch sah, dass er der Einzige war, enthielt er sich der Stimme und tat dies sehr laut kund, obwohl niemand verstand, was „sich enthalten“ bedeuten sollte.
So schlossen sich ihnen also auch die
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