Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman
Urteil über ihn. Man konnte sehen, dass er ein starker und großer Mann war, ebenso groß wie der Komsomolze Zybulnik, aber er hatte ein feminines Gesicht. Nicht, dass das dem Volkskontrolleur gänzlich missfallen hätte, aber es rief in ihm gewisse Zweifel über dessen Charakterstärke hervor.
Im Zimmer zeugte alles vom Gegenteil, nämlich von einer festen Hand des Hausherrn: sowohl der breite und ziemlich lange Tisch als auch die rote Fahne, die in einer anderen Ecke auf einem speziellen Ständer befestigt war. Darüber hinaus hing an der Wand über dem Tisch ein sehr ungewöhnliches Porträt von Kriwizkij selbst. An der anderen Wand hing das übliche Porträt des Führers Lenin, auf dem dieser die Zeitung „Prawda“ las. Unterhalb des Leninbildes stand ein solider schwarzer Schrank, feuerfest und etwa anderthalb Meter hoch.
Nachdem Dobrynin sich umgesehen hatte und seine Achtung vor dem Bewohner dieses Zimmers wieder gestiegen war, lenkte er seinen Blick zurück auf das ungewöhnliche Porträt von Kriwizkij. Etwas an diesem Porträt war anders.
„Gefällt es Ihnen?“, wollte der Vorsitzende von Chulajba wissen.
„Ich finde es interessant“, gab der Volkskontrolleur zu. „Irgendetwas ist daran anders …“
„Ein seltenes Werk“, nickte Kriwizkij stolz. „Das Porträt ist aus wertvollen Pelzen von Tieren des Nordens gemacht: Die Wangen sind aus Zobel, die Brauen aus Walrossbarthaaren und der Schnurrbart aus Robbenfell. Ein Geschenk von einem der lokalen Völker. Ich habe bei ihnen auch ein Leninporträt für das Museum in Moskau bestellt. Ich möchte es dorthin mitschicken, also wenn alles in Ordnung geht, dann nehmen Sie es mit, wenn Sie in die Hauptstadt fliegen.“
„In Ordnung.“ Dobrynin war einverstanden. „Und was gibt es hier bei Ihnen zu kontrollieren … damit ich etwas überprüfen kann?“
„Darüber sprechen wir dann morgen, Pawel Aleksandrowitsch“, lächelte Kriwizkij auf weibliche Art. „Jetzt ruhen Sie sich aus. Ich habe angeordnet, dass heute auf dem Platz ein Markt zu Ehren Ihrer Ankunft abgehalten werden soll, damit Sie sehen können, wie wir hier leben, und Sie sich eine lokale Spezialität mitnehmen können. Genosse Abunajka, mein Stellvertreter, hat Sie und Genosse Zybulnik zum Abendessen eingeladen. Er ist einer der Einheimischen, aber im Unterschied zu den anderen spricht er Russisch.“
* * *
Auf dem kleinen Platz, in der Mitte zwischen den Holzhütten und den Zelten, saßen die Einheimischen auf einer Unterlage im Schnee. Es waren etwa zehn Personen. Vor ihnen lagen die Waren, aber solange Dobrynin und Zybulnik dicht davor standen, war es unmöglich gewesen zu erkennen, womit auf diesem Markt gehandelt wurde.
Der Volkskontrolleur war mit angehaltenem Atem einige Meter vor der „Marktreihe“ stehen geblieben und betrachtete nun die Waren. Ein Großmütterchen mit einem erstaunlich flachen, sonnengebräunten Gesicht, in dem nur zwei schmale Augenschlitze zu sehen waren, hatte vor allem Fleischwaren: Stroganina, das Dobrynin noch nie gesehen hatte, gepökeltes Fleisch eines unbekannten Tieres und irgendwelche Fleischstäbchen in der Länge einer menschlichen Hand. Dobrynin wollte diese unbekannten Lebensmittel des Nordens ausprobieren, und offenbar erkannte Zybulnik diesen Wunsch am Blick des Volkskontrolleurs, vielleicht war sich Dobrynin auch einfach nur über die Lippen gefahren, ohne es selbst zu merken. Der Komsomolze trat sogleich zu ihm, beugte sich an sein Ohr und flüsterte:
„Sie können alles nehmen, was Ihnen gefällt!“
„Das kommt mir irgendwie nicht richtig vor …“, antwortete Dobrynin ebenfalls flüsternd und dachte gleichzeitig bei sich, warum sie flüsterten, wenn hier niemand Russisch verstand.
Aber da flüsterte Zybulnik wieder, diesmal schon lauter:
„Nehmen Sie nur, keine Angst. Erstens ist es offensichtlich, dass Sie Russe sind. Aber wenn Sie nicht einfach so etwas nehmen wollen, dann sage ich Ihnen eine offizielle Parole und Sie können, wenn Ihnen etwas gefällt, die Parole sagen und mit dem Finger auf das Ding zeigen, das Sie kaufen möchten …“
Diese Idee gefiel Dobrynin. Einfach etwas nehmen, nur weil er Russe war – das hatte etwas Unbescheidenes und Unangenehmes. Aber wenn es eine spezielle Parole gab, bedeutete dies, dass es eine solche Vorschrift gab, was im Weiteren hieß, dass das von oben so geregelt war.
„Und wie lautet die Parole?“, fragte der Volkskontrolleur.
„Burajsy.“
„Eine komische Parole“,
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