Der Wald der Könige
schweifen, »blüht ihm das Gleiche.«
Es herrschte Schweigen. Wenn ein alter Waldbewohner wie Puckle Drohungen ausstieß, war es klüger, ihm zu gehorchen.
Am nächsten Tag sprach Puckle mit Luke. »Zwei Pfund sind eine Menge Geld«, sagte er bedrückt.
»Aber deine Familie wird doch schweigen?«, fragte Luke besorgt.
»Das will ich ihnen auch geraten haben. Doch jetzt wird man anfangen, nach dir zu suchen. Wenn man dich sieht, wird man denken: ›Und welcher seiner vielen Neffen ist das?‹ Früher oder später wird jemand zwei und zwei zusammenzählen.«
»Ich habe es Mary gesagt.«
»Das war dumm von dir.« Puckle zuckte die Achseln. »Aber ich glaube, sie wird den Mund halten.«
»Und was soll ich jetzt tun?«
»Keine Ahnung.« Puckle überlegte. Dann breitete sich plötzlich ein Grinsen auf seinem zerfurchten Gesicht aus. »Oh, ich glaube, mir ist da etwas eingefallen.« Er nickte mit dem struppigen Kopf. »Was hältst du davon, mir zu helfen, einen neuen Kohlenmeiler zu bauen?«
Tom Furzeys Schwester hatte lange darüber nachgegrübelt, wie das Pony wohl wieder in Prides Stall zurückgekommen war.
Als sie nun über die Heide von Beaulieu nach St. Leonards ging, glaubte sie, die Antwort gefunden zu haben.
Und diese Erkenntnis war ein Vermögen wert.
Es war Zufall gewesen, dass sie an jenem Tag schon so früh auf den Beinen gewesen war. Ihr Mann hatte zwei Hasenfallen im Wald aufgestellt, und sie hatte beschlossen nachzusehen, ob schon ein Tier in die Falle gegangen war. Gerade hatte sie den Abhang hinuntersteigen wollen, als sie eine vermummte Gestalt bemerkte, die geduckt von Toms Haus zu den Bäumen lief.
Einige Zeit hatte sie dagestanden und sich gefragt, wer das wohl sein mochte. Sie hatte ihre Beobachtung für sich behalten. Noch am selben Abend erfuhr sie, dass der Prior eine Belohnung ausgesetzt hatte, und ihr Verdacht verfestigte sich. Es war Luke. Wer sollte es sonst sein?
Und gewiss war das auch die Erklärung für den Zwischenfall mit dem Pony. Luke Pride drückte sich um Toms Haus herum und ging bei Nacht dort ein und aus. Ganz sicher hatte er das Pony zurückgebracht. Der hatte vielleicht Mut. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. Nun würden die Prides endlich ihren Denkzettel bekommen. Sie und Tom konnten die Belohnung miteinander teilen. »Ein Pfund für ihn, ein Pfund für mich«, murmelte sie.
Der Arbeitstag neigte sich dem Ende zu, als sie St. Leonards erreichte. Sofort nahm sie Tom beiseite.
Als sie ihm alles erklärt hatte, breitete sich ein zufriedenes Grinsen auf seinem runden Gesicht aus. »Jetzt haben wir sie«, meinte er.
»Es ist doch Luke, oder?«
»Natürlich. Wer sonst?«
»Zwei Pfund, Tom. Wir machen halbe-halbe. Heute Nacht fangen wir an, Wache zu halten.«
Er runzelte die Stirn. »Ich kann leider nicht weg. Die Arbeit beginnt bei Morgengrauen.« Bruder Adam war kurz zuvor erschienen, um sich zu vergewissern, ob alle anwesend waren.
»Du könntest dich doch fortschleichen, wenn es dunkel ist.«
»Wahrscheinlich schon.«
»Ich erwarte dich. Zwei Pfund, Tom. Wenn du nicht auftauchst, gehört die Belohnung mir.«
Es war schon längst dunkel, als Bruder Adam leise sein Pferd anband und zur Koppel schlich. In der undurchdringlichen Finsternis musste er sich hin und wieder mit den Händen weitertasten. Am Zaun blieb er kurz stehen und pirschte sich zur Scheune, deren Umrisse er undeutlich erkennen konnte.
Und plötzlich wurde er zu Boden gerissen.
Zwei heftige Schläge trafen ihn in den Rücken. Er wusste nicht, was es war, doch er prallte mit solcher Wucht auf dem Boden auf, dass ihm für einen Moment der Atem stockte. Kurz darauf hatten zwei Angreifer seine Arme gepackt und drehten ihn herum. Bruder Adam brachte noch immer keinen Ton heraus, aber er trat kräftig um sich. Da hörte er eine Männerstimme fluchen. Dann schlang einer der beiden die Arme um seine Beine, während der andere ihm einen Hieb in die Magengrube verpasste. Adam hatte den Eindruck, dass keiner der Angreifer sehr groß war; doch offenbar verfügten sie über ziemliche Kräfte.
Waren es Räuber? Hier im Wald? Gerade gelang es ihm wieder, einen klaren Gedanken zu fassen, als er zu seinem Entsetzen die Stimme von Tom Furzey erkannte.
»Jetzt haben wir dich erwischt.«
Was um alles in der Welt sollte er darauf antworten? Es fiel ihm beim besten Willen nichts ein. Würde dieser Bauer ihn jetzt zur Abtei schleppen und ihn der Unzucht mit seiner Frau anklagen? Was würde dann aus ihm
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