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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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in der Hoffnung, ihm damit eine Freude zu machen. Aber der arme Jonathan, der sich bei diesen Gelegenheiten schrecklich langweilte, träumte währenddessen nur vom hohen Gras auf den Feldern, dem Vogelgezwitscher im Wald und dem Salzgeruch unten am Hafen.
    Dennoch gab er sich große Mühe, dass sein Vater mit ihm zufrieden war. Und je stärker er sich anstrengte, desto mehr verkrampfte er sich, bis er überhaupt nichts mehr verstand und mit hochrotem Gesicht Unsinn stammelte, woraufhin sein Vater kaum noch seine Verzweiflung verbergen konnte.
    Jonathan sah die Münzen auf dem Tisch und wusste sogleich, dass die heutige Lektion sich mit Alltäglichem befassen würde.
    »Kannst du mir sagen, was für Münzen das sind?«, fragte Totton mit leiser Stimme.
    Die erste war ein Penny. Das war nicht weiter schwer. Bei der nächsten handelte es sich um einen halben Groschen, der zwei Pence wert war. Also entsprach ein Groschen vier Pence. Diese Geldstücke waren in England allgemein bekannt. Darauf folgte ein Shilling, für den man zwölf Pence bekam. Einen goldenen Rial konnte man gegen mehr als zehn Shilling einwechseln. Das nächste Geldstück allerdings, eine prächtige Goldmünze, auf der der Erzengel Michael gerade den Drachen tötete, war Jonathan völlig unbekannt.
    »Das ist ein Angel«, erklärte Totton. »Er ist sehr wertvoll und selten. Und was« – er zog eine weitere Münze hervor – »ist das?«
    Jonathan hatte keine Ahnung. Es war eine französische Krone. Dann zeigte sein Vater ihm einen Dukaten und einen Doppeldukaten. »Diese Münzen eignen sich am besten für den Seehandel«, erläuterte Totton. »Spanier, Italiener, Flamen, sie alle nehmen Dukaten an.« Er lächelte. »Und nun sage ich dir, was sie alle wert sind. Denn du wirst lernen müssen, sie zu benutzen.«
    Nicht nur Kaufleute, die in Übersee Geschäfte betrieben, kamen mit den verschiedenen europäischen Währungen in Berührung. Man fand sie auch in den inländischen Marktstädten, und zwar aus einem einfachen Grund: Ihr Wert war vielfach höher.
    Im fünfzehnten Jahrhundert hatte England einige Niederlagen verschmerzen müssen. Der Triumph über die Franzosen bei Agincourt war nur von kurzer Dauer gewesen, denn die Visionen der allseits bewunderten Jeanne d’Arc hatten die Franzosen beflügelt, die Engländer wieder aus dem Land zu werfen. Nach Ende des Hundertjährigen Krieges gegen Mitte des Jahrhunderts waren die Preise kräftig gestiegen, worunter die Geschäfte litten. Es folgte der eine Generation währende Streit zwischen den beiden Zweigen des Königshauses, York und Lancaster. Auch wenn es sich bei diesen so genannten Rosenkriegen eher um eine Reihe von feudalen Zwistigkeiten handelte als um einen Bürgerkrieg, waren sie der Ruhe und Ordnung im Lande nicht eben förderlich. Da auf Grund der Aufstände die Pachtzinsen fielen, war es nicht weiter erstaunlich, dass die königliche Münze – wie immer, wenn der Staat knapp bei Kasse ist – die Währung abwertete. Natürlich hatte man in den letzten Jahren Anstrengungen unternommen, der englischen Währung wieder zu einem Aufschwung zu verhelfen. Doch Henry Totton hatte Recht, wenn er sagte, dass gute englische Münzen schwer zu finden waren. Deshalb wurden Geschäfte wenn möglich in der stärksten Währung abgewickelt, und das war für gewöhnlich eine ausländische.
    All das erklärte Henry Totton seinem Sohn. »Diese Dukaten, Jonathan«, schloss er seine Ausführungen, »sind das, was wir am nötigsten brauchen. Hast du mich verstanden?«
    Und Jonathan nickte, obwohl er sich nicht ganz sicher war.
    »Gut«, sagte der Kaufmann und lächelte seinem Sohn aufmunternd zu. Da Jonathan heute in aufnahmebereiter Stimmung zu sein schien, beschloss er, ihm noch einen kleinen Vortrag über Häfen zu halten.
    Denn Henry Totton hatte eine besondere Schwäche für dieses Thema. Der wichtigste Hafen war natürlich der in Calais, der über Stapelrechte verfügte. Dort wurden die meisten Geschäfte abgewickelt. Auch die leidige Frage Southampton durfte man nicht aus den Augen verlieren. Doch zuerst sollte Jonathan alles über Calais erfahren.
    »Vater?«
    »Ja, Jonathan?«
    »Ich habe mir etwas überlegt. Wenn ich mich von Alan Seagull fern halte, darf ich doch trotzdem weiter mit Willie spielen, oder?«
    Henry Totton starrte seinen Sohn entgeistert an. Für einen Augenblick fehlten ihm die Worte. Dann zuckte er verärgert die Achseln. Er war machtlos dagegen.
    »Tut mir Leid, Vater.« Der Junge

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