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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Vater.«
    Totton schwieg eine Weile. Dann ging er langsam aus dem Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
    »Gute Nacht, Vater«, rief Jonathan ihm nach, aber er erhielt keine Antwort.
     
     
    Am Morgen des Rennens war der Himmel bewölkt. In der Nacht hatte der Wind gedreht und wehte nun aus Norden. Alan Seagull nahm an, dass er noch einmal die Richtung wechseln würde. Aufmerksam spähte er über den Meeresarm. Eines stand fest: Die Überfahrt zur Insel würde nicht lange dauern.
    Und danach? Er ließ den Blick suchend über den Kai schweifen, wo sich die Zuschauer drängten.
    Gestern war wirklich ein seltsamer Tag gewesen. Er hatte zwar schon öfter Abmachungen getroffen, doch noch nie eine derart unerwartete. Und obwohl es sehr überraschend gekommen war, hatten sich viele Dinge dadurch aufgeklärt.
    Am Kai ging es recht lebhaft zu. Ganz Lymington hatte sich dort versammelt. Die beiden Schiffe, die nebeneinander auf dem Wasser lagen, hätten nicht verschiedener sein können. Das Boot aus Southampton war kein großes Handelsschiff, sondern ein kleinerer Kreuzer, ein so genannter Leichter. Er fasste vierzig Tonnen, was bedeutete, dass er vierzig der großen Tausend-Liter-Fässer Wein aufnehmen konnte, die man für Transporte vom Kontinent benutzte. Der Einmaster bestand aus klinkergebautem Eichenholz und verfügte über ein viereckiges Segel. Verglichen mit den riesigen, sechsmal so großen Dreimastern, welche die englischen Kaufleute für gewöhnlich von Werften auf dem Kontinent anfertigen ließen, wirkte es ziemlich schlicht. Doch es erfüllte seinen Zweck in den Küstengewässern und konnte ohne Schwierigkeiten den Ärmelkanal zur Normandie überqueren. Die Mannschaft bestand aus zwanzig Seeleuten.
    Seagulls Boot war von ähnlicher Bauart, allerdings nur halb so groß. An Bord befanden sich – abgesehen von den beiden Jungen – eine handverlesene zehnköpfige Besatzung und Seagull selbst.
    Die Ladung, welche die Schiffe an Bord hatten, war typisch für eine Fahrt zur Insel Wight: Wollsäcke, Stoffballen, Weinfässer und ein paar Ballen Seide. Als zusätzlichen Ballast hatte das Boot aus Southampton noch zehn Zentner Eisen dabei. Beide Schiffe waren vom Bürgermeister überprüft und für voll beladen erklärt worden.
    Die zwei Parteien hatten die Bedingungen des Rennens sorgfältig miteinander ausgehandelt. Nun rief der Bürgermeister die Kapitäne zu sich an den Kai und gab ihnen seine Anweisungen.
    »Ihr fahrt mit voller Ladung nach Yarmouth. Dort löscht Ihr die Ladung am Kai. Dann kehrt Ihr leer, aber mit derselben Besatzung zurück. Wer zuerst wieder da ist, hat gewonnen.« Er betrachtete die beiden streng. Den großen, schwarzbärtigen Seagull kannte er, den Kapitän aus Southampton hatte er hingegen noch nie gesehen. »Wenn ich die Flagge schwenke, dürft Ihr Segel setzen oder rudern, wie es Euch beliebt. Doch wer das andere Boot irgendwann während des Rennens behindert, wird ausgeschlossen. Ich entscheide über den Sieg, Einspruch ist ausgeschlossen.«
    Die Hin- und Rückfahrt, beladen und leer, das Löschen der Ladung, die Möglichkeit, Segel oder Ruder zu benutzen, und das unberechenbare Wetter – waren so viele Unwägbarkeiten, dass der Bürgermeister beschlossen hatte, das Rennen selbst zu überwachen. Allerdings konnte er persönlich keinen Grund erkennen, warum das größere Boot unterliegen sollte, und er hatte dementsprechend gewettet.
    Der Kapitän aus Southampton nickte und blickte Seagull finster an, hielt ihm aber dennoch die Hand hin. Der Seemann schüttelte sie kurz, allerdings ohne seinen Gegenüber anzusehen. Stattdessen suchte er weiter die Menge ab.
    Endlich hatte er die gewünschte Person gefunden. Er wandte sich zu seinem Boot und rief Willie zu sich. »Siehst du Richard Albion, mein Sohn?« Er wies auf den Herrn. »Lauf rasch zu ihm und frage ihn, ob er immer noch fünf Pfund darauf wetten will, dass ich das Rennen verliere.«
    Willie gehorchte und überbrachte wenig später die Antwort: »Er hat ja gesagt, Vater.«
    »Gut.« Seagull nickte. »Geh wieder zu ihm und teile ihm mit, dass ich die Wette annehme, sofern er gegen einen einfachen Mann wetten möchte.«
    »Du, Vater? Du willst wetten?«
    »Richtig, mein Sohn.«
    »Fünf Pfund? Hast du denn fünf Pfund, Vater?« Der Junge betrachtete ihn erstaunt.
    »Vielleicht ja, vielleicht nein.«
    »Aber du wettest doch nie, Vater!«
    »Willst du mir widersprechen, mein Junge?«
    »Nein, Vater, aber…«
    »Dann lauf los.«
    Also

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