Der Wald der Könige
rannte Willie zurück zu Richard Albion, den das Angebot fast ebenso erstaunte wie den Jungen. Dennoch kam er ohne zu zögern auf Seagulls Boot zu. »Habe ich richtig gehört? Ihr wollt auf dieses Rennen wetten?«, fragte er.
»Ganz recht.«
»Nun.« Albion lächelte breit. »Ich habe nicht geglaubt, dass ich den Tag je erleben würde, an dem Alan Seagull eine Wette abschließt. Wie hoch ist Euer Einsatz?« Aus seinen funkelnden blauen Augen sprach die leichte Besorgnis, der Seemann könnte sich übernehmen. »Da niemand meine fünf Pfund will, erkläre ich mich mit jeder Summe einverstanden.«
»Gegen fünf Pfund habe ich nichts einzuwenden.«
»Seid Ihr sicher?« Der reiche Adelige wollte den Seemann nicht ruinieren. »Allmählich erscheinen mir fünf Pfund auch ein wenig viel. Sagen wir lieber eine Mark. Oder zwei, wenn es Euch recht ist.«
»Nein. Ihr habt mir fünf Pfund geboten, und ich schlage ein.«
Albion zögerte nur kurz. Es wäre eine Beleidigung gewesen, den Seemann weiter zu befragen. »Die Wette gilt!«, rief er aus und schüttelte Alan die Hand, bevor er sich den Umstehenden zuwandte. »Ihr werdet nie raten, was geschehen ist!«, verkündete er.
Kurz darauf tuschelte ganz Lymington über diese erstaunliche Neuigkeit. Und bald waren verschiedene Vermutungen im Umlauf, was das wohl zu bedeuten hatte. Warum gab Seagull so plötzlich eine lebenslange Gewohnheit auf? Hatte er den Verstand verloren? Besaß er überhaupt fünf Pfund, oder hatte er einen Geldgeber? Eines jedenfalls schien klar: Wenn Seagull eine Wette abschloss, wusste er offenbar etwas, das sonst niemand ahnte.
»Er weiß, dass wir gewinnen werden!«, jubelte Burrard begeistert.
Verhielt sich das so? Diejenigen, die gegen den Seemann gewettet hatten, wirkten ein wenig bestürzt. Einige Umstehende wandten sich ängstlich an Totton. »Was geht da vor?«, erkundigten sie sich. »Wir haben zu Euch gehalten«, erinnerten sie ihn.
Henry Totton hatte sich bereits einige Einwände anhören müssen, als den Zuschauern auffiel, dass sein Sohn sich auf Seagulls Schiff befand.
»Euer Sohn fährt bei Eurem Gegner mit!«, entrüsteten sie sich.
»Er ist mit dem Jungen von Seagull befreundet und wollte unbedingt mit ihm zusammen sein«, erwiderte Totton gelassen.
»Ich hätte es ihm verboten«, merkte ein Kaufmann mürrisch an.
»Warum?«, entgegnete Totton mit einem Lächeln. »Er macht das Boot nur schwerer und wird allen im Weg stehen. Sicher kostet er Seagull mindestens eine Länge.« Er erntete einige Lacher für diese gewitzte Antwort.
Und als man ihn wieder missbilligend ansah, zuckte er nur die Achseln. »Seagull hat eine Wette abgeschlossen. So wie wir alle.«
»Schon. Aber er wettet sonst nie.«
»Und das ist vermutlich klug von ihm.« Er blickte sie an. »Hat denn niemand von Euch daran gedacht, dass er vielleicht einen Fehler gemacht hat? Er könnte verlieren.« Und angesichts dieser sehr vernünftigen Bemerkung gab es nicht mehr viel zu sagen. Allerdings konnten sich die Einwohner von Lymington des Gefühls nicht erwehren, dass an dieser Angelegenheit womöglich etwas faul war.
Und dieser Verdacht beschränkte sich nicht auf die Zuschauer. Unten im Boot sah Willie Seagull seinen Vater neugierig an. Der Seemann lehnte, die Kappe keck auf dem Kopf, bequem an einem Weinfass. »Was führst du im Schilde, Vater?«, flüsterte Willie.
Doch Seagull antwortete darauf nur mit einem kurzen Seemannslied:
Ob Wind oder Wasser das Schicksal lenkt,
Es kommt immer anders, als man denkt.
Mehr konnte Willie ihm nicht entlocken. »Auf die Plätze, fertig, los!«, rief der Bürgermeister.
Jonathan Totton war überglücklich. Mit seinem Freund Willie und dem Seemann auf einem Boot zu sein – und noch dazu anlässlich eines solchen Ereignisses – erschien ihm wie der Einzug ins Paradies.
Ihm bot sich ein beeindruckender Anblick. Der kleine, von hohen, grünen Ufern gesäumte Fluss schimmerte silbrig. Der Himmel war zwar bedeckt, leuchtete aber hellgrau. Wolkenbänke erstreckten sich nach Süden. Weiße Möwen kreisten um die Maste und über dem Schilf. Ihre Schreie hallten über das Wasser. Inzwischen hatten die beiden Boote die Mitte des Flusses erreicht. Das Schiff aus Southampton hielt sich am östlichen Ufer. Schon vom Kai aus hatte es riesig gewirkt. Nun erschien Jonathan der Leichter mit seinen erhöhten Brücken an Bug und Heck wie ein Koloss, vor allem im Vergleich zu dem Fischerboot.
Die Mannschaft war bereit. Vier
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