Der Wald der Könige
an, das allerdings einen spanischen Akzent aufwies. »Sir, ich bitte Euch um Hilfe.«
»Wie könnte ich Euch helfen?«
»Ich bin überfallen und beraubt worden, Sir, und zwar auf dem Weg zu einem Verwandten, der, wie ich glaube, nicht weit von hier wohnt.«
»Ich verstehe.« Clement behielt zwar die Hand am Schwert, beschloss aber, sich auf das Spiel einzulassen. »Woher kommt Ihr, Sir?«
»Aus Plymouth.« Das stimmte in gewisser Hinsicht.
»Ein weiter Weg. Darf ich Euren Namen wissen?«
»Selbstverständlich, Sir.« Der Spanier lächelte. »Ich heiße David Albion.«
»Albion?«
»Ja, Sir.« Don Diego bemerkte, dass sich abgrundtiefes Erstaunen auf dem Gesicht seines Gegenübers malte. Offenbar habe ich ihn beeindruckt, dachte er und fuhr mit frischem Mut fort: »Mein Verwandter ist kein Geringerer als der große Hauptmann Clement Albion persönlich.«
Nun wirkte der Engländer ganz und gar verdattert. »Ist er denn ein so wichtiger Mann?«, fragte er mit zitternder Stimme.
»Aber natürlich, Sir. Schließlich kommandiert er als Hauptmann alle Truppen und Küstenbefestigungen zwischen hier und Portsmouth.«
Albion verstummte entgeistert. War das etwa sein Ruf bei den spanischen Invasoren? Hatte die gesamte spanische Armada von ihm gehört? Würde jeder gefangene Spanier seinen Namen ausrufen? Wie sollte er das jemals dem Rat erklären, sofern England nicht innerhalb der nächsten Tage in die Hände der Spanier fiel? Trotz seines Entsetzens nahm er sich zusammen, denn er musste unbedingt mehr erfahren. »Ihr seid nicht David Albion, Sir. Zuerst einmal halte ich Euch für einen Spanier.« Ruhig zog er sein Schwert. »Und zweitens hat Albion keinen Verwandten dieses Namens.« Er betrachtete den Spanier streng. »Das weiß ich deshalb, Sir, weil ich selbst Albion bin.«
Ein frohes Lächeln huschte über das Gesicht des Spaniers, doch er unterdrückte es rasch. »Warum soll ich Euch glauben, dass Ihr Albion seid?«
»Das ist Eure Sache«, entgegnete Clement gelassen.
Der Spanier überlegte. »Es gibt einen Weg, das zu beweisen«, erwiderte er ruhig, und dann nannte er Clement seinen richtigen Namen.
»Welch ein Glück und was für ein Zeichen von Gottes Vorsehung ist es, mein lieber Bruder, dass ich von allen Menschen in England ausgerechnet dir begegnet bin.« Don Diego schien außer sich vor Freude und Rührung. Er blickte Albion froh, aber ernst an. »Das ist wirklich ein Wunder.«
Albion schlug vor, sich in eine geschützte Senke unterhalb der Klippen zu begeben, wo niemand sie stören würde. Bald hatten sie einander davon überzeugt, dass sie wirklich diejenigen waren, die sie zu sein vorgaben. Albion erkundigte sich liebevoll nach seiner Schwester Catherine. Und Don Diego fragte besorgt nach dem Befinden seiner Schwiegermutter, die er als »Engel und Heilige« bezeichnete. Als Albion ihn jedoch höflich zu seinem Kommando beglückwünschte, machte Don Diego ein erstauntes Gesicht.
»Mein Kommando? Ich habe überhaupt kein Kommando. Ich bin nur ein adeliger Herr, der die Armada aus freien Stücken begleitet. Ganz im Gegensatz zu dir, mein lieber Bruder, der du einen so hohen und ehrenvollen Posten erhalten hast. Deine Mutter hat es uns schon vor langer Zeit geschrieben.«
Albion nickte langsam. Allmählich dämmerte es ihm. Offenbar hatte seine Mutter alles nur frei erfunden. Doch er hielt den Moment für ungünstig, dem wohlmeinenden Spanier seine Illusionen zu rauben, denn er musste einiges in Erfahrung bringen. Erwartete der König von Spanien etwa, dass er, Albion, Hurst Castle persönlich an die Eroberer übergab?
»Ah, mein Plan!« Don Diegos Miene erhellte sich. »Oder besser gesagt, der Plan deiner Mutter. Was für eine Frau!« Dann jedoch blickte er düster drein. »Gott weiß, mein lieber Bruder, ich habe es versucht. Ich habe einen langen Brief an meinen Verwandten, den Herzog von Medina Sidonia, geschrieben. Aber…« Er breitete schicksalsergeben die Hände aus. »Nichts.«
»Ich verstehe.« Inzwischen war Albion einiges klar.
Dann erkundigte er sich vorsichtig nach den Invasionsplänen der Spanier.
»Ah. Die Pläne.« Don Diego schüttelte den Kopf. »Wir alle und auch die Kommandanten der Schiffe haben angenommen, dass wir einen Hafen zu unserem Stützpunkt machen würden. Plymouth, Southampton oder Portsmouth, einen von den dreien. Von dort aus könnte man unsere Schiffe mit Nachschub versorgen.«
»Das hört sich klug an.«
»Dann aber hat Seine Majestät beschlossen, dass
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