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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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besuchte, erfahren hatte, der König halte sich in Boldrewood auf, hatte er zunächst gezögert. Da er ein stolzer junger Mann war, widerstrebte es ihm, noch einmal als Bittsteller vorzusprechen. Seine Verwandten mussten ihn regelrecht anflehen, damit er sich endlich, wenngleich widerstrebend, auf den Weg zur königlichen Jagdgesellschaft machte.
    Obwohl die Penruddocks das Haus und einen Teil der Besitzungen in Compton Chamberlayne hatten behalten dürfen, waren die Jahre nach dem Tod seines Vaters nicht leicht gewesen. Der junge Thomas hatte auf prächtige Kleider verzichten müssen. Der Großteil der Pferde wurde verkauft, und auch für Hauslehrer fehlte das Geld. Seite an Seite mit seiner Mutter mühte sich der Junge ab, die Familie durchzubringen. Wenn sie nach Sarum zum Anwalt musste, was sie stets sehr erschütterte, begleitete er sie. Oft arbeitete er auf den Feldern und hatte sich auch zu einem passablen Schreiner gemausert. »Du solltest dich nicht abplagen wie ein Tagelöhner!«, klagte seine Mutter häufig. »Du bist ein junger Herr. Wenn nur dein Vater noch leben würde.« Ihr zuliebe setzte er sich, wenn er nicht allzu müde war, abends an seine Lehrbücher. Dabei stand ihm ständig ein Gedanke vor Augen: Eines Tages wird alles besser. Ich werde ein Gentleman sein wie mein Vater. Und ich werde mir ihn zum Vorbild nehmen. Er klammerte sich an diese Vorstellung, die einzige, die ihm seinen Vater näher brachte, um auch noch über den Tod hinaus seine Liebe zu erringen und seine Ehre zu rächen.
    Nie hatten sie aufgehört zu hoffen, dass der König eines Tages zurückkehren würde. Dann würde der Jubel groß sein, denn die Treuen würden endlich belohnt werden. Und wer war dem König treuer ergeben gewesen und hatte mehr für ihn gelitten als die Familie Penruddock? Deshalb war der siebzehnjährige Thomas Penruddock außer sich vor Freude, als die Epoche der so genannten Restauration eingeläutet wurde. Selbst seine Mutter sagte: »Gewiss wird der König jetzt etwas für uns tun.«
    Sie hörten von den Feierlichkeiten in London, von dem loyalen neuen Parlament und dem fröhlichen Leben bei Hofe. Täglich rechneten sie mit einer Nachricht, einer Einladung, den Triumph des Königs zu teilen. Doch nichts dergleichen geschah. Niemand dachte mehr an sie. Der König hatte die Witwe und ihren Sohn vergessen.
    Also baten die Penruddocks Freunde, sich beim König für sie zu verwenden. Nach einer Weile schrieben sie sogar selbst einen Brief. Die Antwort war Schweigen. »Der König hat kein Geld«, erklärten die Freunde. »Aber er könnte euch protegieren.« Also entwarf man einen Antrag, in dem man den neuen König bat, den Penruddocks das Monopol auf die Glasherstellung zu gewähren. »Das bedeutet«, erläuterte ein weltgewandter Freund, »dass jeder, der Glas produzieren will, eine Genehmigung von euch braucht und euch dafür bezahlen muss.« Das war ein beliebter Weg, einen Untertanen zu belohnen, da es den Staatsschatz nicht belastete.
    »Ich weiß doch gar nichts von diesem Metier«, jammerte Mrs. Penruddock, doch sie hätte sich ihre Befürchtungen sparen können, denn der Antrag wurde abgelehnt. »Ich begreife nicht, warum er nichts für uns tut«, sagte sie.
    Und Thomas, der in seinem ganzen Leben so viel schon durchgemacht hatte, lernte nun eine neue wichtige Lektion: Auf die Hilfe anderer war kein Verlass, nicht einmal auf die des Königs. Jeder war selbst seines Glückes Schmied. Die Herrschenden, ja sogar Könige, nutzten Menschen aus und warfen sie dann weg. Man musste sich eben damit abfinden, dass Macht sich nicht um Menschlichkeit scherte. Also stürzte sich Thomas wieder mit Feuereifer in die Arbeit.
    Und in den letzten zehn Jahren war er sehr erfolgreich gewesen. Schritt für Schritt hatte er das elterliche Gut wieder aufgebaut. Verlorene Ländereien wurden zurückgekauft. Mit siebenundzwanzig Jahren war Thomas Penruddock ein unnachgiebiger und wohlhabender Mann.
    Heute hatte er ein besonderes Anliegen an den König. Er war bereits Hauptmann in der örtlichen Reiterei und wusste, dass sein Oberst, ein freundlicher älterer Herr, bald in den Ruhestand treten würde. Zwar hatte Thomas Interesse an dem Posten angemeldet, rechnete sich aber gegen seine erfahreneren Mitbewerber nur wenig Chancen aus. Dabei ging es ihm nicht um den Verdienst, denn diese Position würde ihn eher etwas kosten als Geld einbringen. Es war vielmehr eine Frage der Familienehre – und außerdem sein innerster Wunsch: In

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