Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
Vom Netzwerk:
galoppierten nach Oakley und besuchten den alten Stephen Pride. Betty erschien der New Forest wie eine verzauberte Wildnis, in der sie viele Freunde hatte.
    Doch es kamen auch Gäste, die eine ernste Stimmung im Haus verbreiteten. König Karl II. hatte das Versprechen, das er Alice in Boldrewood gegeben hatte, tatsächlich gehalten. 1672 wurde ein Gesetz erlassen, das den Untertanen Religionsfreiheit gestattete. Aber dieser Zustand war leider nicht von Dauer. Schon ein Jahr später schaffte das Parlament dieses Gesetz wieder ab. Dissenters wurden erneut an den Rand der Gesellschaft gedrängt, ihre Gottesdienste verboten. Die kurze Phase der Toleranz hatte nur zur Folge, dass die Namen der Abweichler, die sich ans Licht der Öffentlichkeit gewagt hatten, nun allgemein bekannt waren.
    Alice gewährte weiterhin puritanischen Predigern Zuflucht. Die Behörden behelligten sie zwar nicht, doch im Haus herrschte eine gedrückte Atmosphäre, die ihre Wirkung auf die junge Betty nicht verfehlte. Und noch etwas hatte sich verändert, obwohl es Alice kaum auffiel: Die Prediger, die sie nun um ihre Gastfreundschaft baten, waren älter als zuvor.
    Einige Jahre lang besuchte Betty eine Schule für junge Damen in Sarum. Sie fühlte sich zwar recht wohl dort und schloss auch einige Freundschaften. Aber da sie an die Gesellschaft Erwachsener gewöhnt war, fand sie das Geschwätz ihrer Altersgenossinnen oft ziemlich kindisch.
    Nach ihrem Schulabschluss schickte ihre Mutter sie ein- oder zweimal im Jahr zu Verwandten oder Freunden, damit sie dort junge Männer kennen lernte. Das war zwar auch geschehen, doch Betty hielt die meisten von ihnen für geistlos, bis Alice ihr irgendwann streng sagte: »Such nicht nach dem Traumprinzen, Betty. Den gibt es nämlich nicht.«
    »Richtig. Aber zwinge mich nicht, einen Mann zu heiraten, den ich nicht achten kann«, entgegnete ihre Tochter und kümmerte sich nicht um das Seufzen ihrer Mutter.
    Als Betty ihren vierundzwanzigsten Geburtstag feierte, war ihre Mutter der Verzweiflung nah. Betty selbst hingegen schien das alles nicht anzufechten. »Ich liebe das Haus, ich liebe jeden Zentimeter des New Forest«, erwiderte sie. »Mich stört es nicht, bis zu meinem Tod allein hier zu leben.«
    Als sie im Juni jedoch London besuchten, änderte sich das schlagartig.
    »Und wenn man bedenkt«, sagte die älteste Tochter Tryphena zu Alice, »dass es passiert ist, während die ganze Welt nur Augen für die bedeutenden Ereignisse hat, die das Königreich erschüttern, muss sie es wirklich ernst meinen.«
    Und genau das war Alices große Sorge.
     
     
    Eine Julinacht. Gestalten in der Landschaft. In der Nacht davor waren es Tausende gewesen. Inzwischen jedoch waren die meisten in ihren Städten, Dörfern und Bauernhöfen untergetaucht, hatten ihre Waffen versteckt und gingen ihren Pflichten nach, als wären sie nicht in den Tagen zuvor durch die Städte im Westen marschiert, um ein Königreich zu erobern.
    Allerdings würde nicht jeder ungeschoren davonkommen. Einige von ihnen würde man beim Namen nennen, anschwärzen und ergreifen, so wie die vielen Hunderte, die schon gefangen genommen worden waren.
    Reiter pirschten sich heimlich durch den Wald oder huschten unbemerkt die Klippen entlang, nur beobachtet von Schafen, den Hirten oder vielleicht von den Geistern ihrer prähistorischen Vorfahren, die hinter mit Gras bewachsenen Erdwällen flüsterten. Die Männer schlichen sich nach Osten, über die Kreidefelsen, etwa dreißig Kilometer und mehr südwestlich von Sarum.
    Man hatte Monmouths Aufstand niedergeschlagen.
    Niemand hatte mit dem Tod von Karl II. gerechnet – er selbst am wenigsten. Schließlich war er erst vierundfünfzig Jahre alt gewesen. Sir Christopher Wren erbaute ihm gerade einen prächtigen neuen Palast auf einem Hügel oberhalb von Winchester, und der König freute sich schon darauf, dort einzuziehen, doch dann erlitt Karl im Februar plötzlich einen Schlaganfall. Eine Woche später verstarb er – und schon entbrannte ein heftiger Machtkampf um seine Nachfolge.
    Karl II. hatte mit seinen verschiedenen Mätressen zwar eine Menge von Söhnen gezeugt und einige von ihnen in seiner Gnade zu Herzögen ernannt, doch einen rechtmäßigen Erben hinterließ er nicht. Deshalb war sein Bruder Jakob, Herzog von York, Thronerbe, was zunächst als glückliche Fügung erschien: Jakob hatte eine Protestantin geheiratet und seine beiden Töchter im protestantischen Glauben erzogen. Eine von ihnen hatte

Weitere Kostenlose Bücher