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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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jetzt mit ihrer Tochter zu verabschieden.
     
     
    Bei ihrer Ankunft in Haus Albion war sie ziemlich erschüttert. In einer Ecke des Flures traf sie den wartenden Furzey an, während John Hancock im Salon über einem großen Bogen Papier brütete. Da sie den Mann aus Dakley so schnell wie möglich loswerden wollte, um von ihrer Begegnung mit dem König zu erzählen, forderte sie Hancock auf, ihr das Problem umgehend zu schildern. Der Anwalt schloss die Tür, erklärte ihr in knappen Worten Furzeys missliche Lage und zeigte ihr das Papier. »Ich habe alles in den Pachtunterlagen gefunden. Seht Ihr? Für die Kate, in der Furzey jetzt lebt, wurde während der Regierungszeit von Jakob I. wenige Jahre vor Eurer Geburt, zum ersten Mal Pacht bezahlt. Sie war gerade erst erbaut worden, als Furzeys Großvater einzog.«
    »Also hat er kein Recht auf Estovers?«
    »Juristisch betrachtet: nein. Natürlich kann ich einen Antrag stellen, aber wenn wir diesen Umstand dem Gericht nicht verheimlichen wollen…«
    »Nein. Nein. Nein!«, schrie sie. Ihre Geduld war nun endgültig erschöpft. »Bei einer Lüge oder der Unterschlagung von Beweismitteln ertappt zu werden, das fehlt uns gerade noch! Wenn er kein Recht auf Estovers hat, dann eben nicht, und damit basta.« Der heutige Tag war zu viel für sie gewesen. »John, bitte schickt ihn fort.«
    Aufmerksam lauschte Furzey der Erklärung des Anwalts, die er gleichwohl nicht verstand. Wann sein Haus erbaut worden war, hatte für ihn keine Bedeutung. Er hatte noch nie von einem solchen Gesetz gehört, glaubte nicht an seine Existenz und hielt alles nur für einen Versuch, ihn übers Ohr zu hauen. Und deshalb weigerte er sich, es zu begreifen. Als der Anwalt sagte: »Ein Jammer, dass Ihr damals zur Regierungszeit des letzten Königs versäumt habt, Eure Rechte eintragen zu lassen – viele davon entsprechen eigentlich nicht dem Gesetz, aber sie werden inzwischen geduldet«, blickte Furzey bedrückt zu Boden. Doch da der Anwalt damit ihm die Schuld zuschob, beschloss er, das Gesagte rasch wieder zu vergessen. Nur eines stand für ihn fest: Ganz gleich, was dieser Anwalt auch reden mochte, er hatte laut und deutlich das »Nein!« hinter der geschlossenen Tür gehört. Es war die Frau, Lady Albion, die ihm Knüppel zwischen die Beine warf.
    Und an diese Sicht der Dinge klammerte er sich auch weiterhin erbittert, als er seiner Familie am Abend wütend das Gespräch schilderte: »Sie ist es. Sie will uns unsere Rechte wegnehmen. Sie hasst uns.«
     
     
    Zwei Monate später erfuhr Alice zu ihrer großen Überraschung, dass der Herzog von York seine Klage gegen sie zurückgezogen hatte.
     
     
    1685
     
    Die meisten Leute wunderten sich, dass Betty Lisle mit vierundzwanzig Jahren noch nicht verheiratet war, denn mit ihrem hellen Haar und den graublauen Augen war sie eine hübsche junge Frau.
    Wäre sie reich gewesen, so hätte man sie gewiss als schön bezeichnet. Allerdings konnte man sie auch nicht arm nennen: Sie würde einmal Haus Albion und den Großteil der dazugehörigen Ländereien erben.
    »Es ist meine Schuld«, gab Alice zu. »Ich habe sie zu sehr von der Welt abgeschirmt.«
    Und diese Einschätzung traf zu. Bettys ältere Schwestern waren mit ihren Ehemännern fortgezogen. Margaret und Whitaker kamen zwar häufig zu Besuch, doch Bridget und Leonard Hoar waren nach Massachusetts ausgewandert, wo Hoar sogar für eine Weile der Universität Harvard vorstand. Tryphena und Robert lebten in London. Deshalb verbrachten Alice und Betty den Großteil der Zeit allein auf dem Land.
    Meistens hielten sie sich in Haus Albion auf, das sie beide liebten. So viel Alice auch schon durchgemacht haben mochte, das Haus, das ihr Vater für sie gebaut hatte, blieb für sie ein Zufluchtsort, wo sie Frieden und Geborgenheit fand. Da der Herzog von York von einer Klage abgesehen hatte, konnte sie sicher sein, dass Betty das gesamte Anwesen erben würde. Und so empfand Alice in jenen einsamen Jahren Freude, wenn sie sah, dass ihre jüngste Tochter dieselbe glückliche Kindheit verbringen durfte wie ehedem sie. Für Betty war das Haus mit den hohen Giebeln im Wald wie ein Paradies: das Heim ihrer Familie, weitab von der Welt. Im Winter, wenn funkelnde Eiszapfen von den Bäumen hingen, gingen sie den schneebedeckten Pfad entlang zur alten Kirche von Boldre, die auf ihrem Hügel aussah, als wäre sie einer Märchenwelt entstiegen. Im Sommer ritten sie zur Heide, um die Zugvögel zu beobachten, oder

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