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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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ausgebrochen. Man hat bereits jemanden zu Euch geschickt, der Euch um Unterstützung bitten sollte. Um Himmels willen, bleibt in London und schweigt.
     
    Alice zerriss den Brief und warf ihn ins Feuer.
    Schweigen. Würde der junge Peter Albion schweigen? Und Betty? Verzweifelt sah sie ihre Tochter an. »Mein liebes Kind«, sagte sie leise, »wenn du nicht auf der Hut bist, wird man uns bald jagen.« Traurig schüttelte sie den Kopf. »Wie die Hirsche im Wald.«
     
     
    Stephen Pride schlenderte am Weiher von Oakley vorbei. Inzwischen war er fünfundsiebzig, fühlte sich aber ganz und gar nicht so. Er war schlank und hoch gewachsen und hielt sich immer noch so gerade wie in seiner Jugend. Nun, vielleicht waren seine Schritte ein wenig langsamer und steifer als früher. Die Vernunft sagte ihm, dass seine Tage auf dieser Welt gezählt waren. Doch welchen Grund Gott sich auch immer aussuchen mochte, um ihn aus dem Leben zu reißen, bislang spürte er nichts davon. »Ich bin Männern begegnet, die achtzig wurden«, meinte er zufrieden. »Kann sein, dass ich auch dazu gehöre.«
    Schon immer hatte er Freude daran gehabt, den Wechsel der Jahreszeiten im Weiher neben dem Dorfanger zu betrachten. Im Spätherbst, wenn es viel geregnet hatte, war der Teich bis zum Rand gefüllt. Im Winter war er oft zugefroren. Vor zwei Jahren im kältesten Winter, an den Pride sich erinnern konnte, war er sogar von November bis April von einer dicken Eisschicht bedeckt gewesen. Dann, nach den Frühlingsregen und als es wärmer wurde, war die gesamte Oberfläche des Teiches von weißen Blumen überwuchert, als stünde das Wasser selbst in Blüte.
    Am erstaunlichsten jedoch war, dass der Weiher überhaupt Wasser enthielt, denn er verfügte nicht über einen Zulauf. Wenn der Regen auf die nahe gelegene Heide fiel, versickerte das Wasser unbemerkt im Boden und sammelte sich unweit des Weihers wie durch Zauberhand zu winzigen Rinnsalen, die sich dann über den Dorfanger in den kleinen Weiher ergossen.
    Im Sommer jedoch verdunstete der Weiher. Bei Regen saugte die warme Heide das Wasser auf. Die Rinnsale verschwanden. Tag für Tag rückten die Tiere, die das üppige Gras am Ufer abweideten, ein wenig näher. Im Monat der Zäune, im Hochsommer, war der Teich nur noch halb so voll wie im Frühjahr. Nun grasten zwei Kühe und ein Pony in der grünen Bodensenke, in deren Mitte sich einige große Pfützen befanden.
    Stephen Pride war erleichtert. Heute Morgen war er in Haus Albion gewesen, und zum Glück hatte sich bestätigt, was er gehört hatte: Dame Alice weilte noch in London und würde wohl nicht so bald zurückkehren. Sehr gut. Pride kannte und liebte Dame Alice, seit er denken konnte, und er wollte auf keinen Fall, dass sie sich jetzt in dieser Gegend blicken ließ.
    Dank seiner Frau und ihrer Familie wusste Pride für gewöhnlich besser über die Lage in Lymington Bescheid als die anderen Bewohner Oakleys. In der kleinen Hafenstadt brodelte es wie in den meisten englischen Städten. Vermutlich gab es in der Grafschaft noch ein paar Leute, die den alten katholischen Glauben verteidigten. Doch in dem Jahrhundert seit dem Untergang der Armada war ihre Anzahl stark geschrumpft. Und die Leute in den Städten wollten vom Katholizismus nichts hören. Die Kaufleute und kleinen Händler aus Lymington hatten Karl I. verabscheut und Karl II. misstraut. Vor ein paar Jahren, als man im Parlament besonders heftig die katholische Thronfolge erörterte, hatte ein Bruder Leichtfuß namens Titus Oates das Gerücht in die Welt gesetzt, es gebe eine katholische Verschwörung mit dem Ziel, Karl zu ermorden und Jakob an seiner Stelle zum König zu krönen. Man plane, den Jesuiten die Regierungsmacht zu übertragen und anständige Protestanten hinzurichten. Natürlich entpuppte sich die ganze Sache von Anfang bis Ende als Schwindel, der nur den Zweck verfolgte, Oates reich und berühmt zu machen.
    Allerdings fürchteten sich die Engländer mittlerweile so sehr vor dem Katholizismus, dass sie das Märchen glaubten. Kaum eine Woche verging, in der Oates nicht eine neue Geschichte ausbrütete. Überall begannen die Leute Jesuiten zu sehen, die aus den Fenstern spähten oder um die Ecken lugten. Auch die immer größer werdende Hafenstadt Lymington war auf Jesuitenjagd. Der Bürgermeister und sein Rat schickten sich an, die Bürger zu bewaffnen.
    Als Monmouth die Männer für die protestantische Sache zu den Waffen rief, hatte deshalb niemand in Lymington gezögert.

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