Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
Vom Netzwerk:
Schutze der Dunkelheit.
    Das Herz klopfte Stephen bis zum Halse. Als er bei Setley den westlichen Rand der Heide erreichte, war ihm ein wenig schwindelig. Es war schon viele Jahre her, dass er wie heute den ganzen Tag herumgehetzt war. Doch seine Erschöpfung verflog schnell wieder in der Aufregung.
    Er beschloss, die Strecke nach Norden abzukürzen, Brockenhurst zu umrunden und den Pfad zu nehmen, der oberhalb von Burley begann. Sicher hatte Jim auch diesen Weg eingeschlagen. Er trieb sein Pony an. Zum Glück war es ein kräftiges kleines Tier, das wohl noch die ganze Nacht durchhalten würde.
    Nachdem er einen Bogen um Brockenhurst gemacht hatte, erreichte er einen Teil des New Forest, der Rhinefield hieß. Das Mondlicht wirkte wie eine silbrige Spur aus Sternenstaub, die quer über die Heide verlief.
    Da bemerkte er, ein Stück voran, etwas Seltsames: eine fahl schimmernde Masse auf der Heide. Ihm war merkwürdig zu Mute. War es eine Kuh? Nein, der Mond. Der Mond stand mitten auf der Heide. Stephen Pride schüttelte den Kopf, um wieder klarer zu sehen. Und da plötzlich hatte er einen gewaltigen weißen Blitz vor Augen, und ein schreckliches Donnern hallte in seinem Schädel wider. Und so erlitt Stephen Pride kurz vor Rhinefield einen tödlichen Schlaganfall und sank auf den warmen Boden des New Forest.
     
     
    Alice Lisle stand am Fenster und blickte hinaus.
    Über den Bäumen auf dem kleinen Hügel gegenüber waren Wolken am Sternenhimmel aufgezogen, so als hätte jemand eine Decke darüber gebreitet. In den Stunden vor Morgengrauen lag Moyles Court still und wie verlassen da.
    Es hatte Alice nicht weiter überrascht, dass Betty nicht zurückgekehrt war, denn sie wusste genau, wo ihre Tochter steckte. Schon am Sonntag hatte ein Brief von Tryphena sie gewarnt, der junge Mr. Albion sei früher als erwartet wieder in London eingetroffen und befände sich inzwischen auf dem Weg in den New Forest. Mit ihrem Vorwand, nur kurz nach Haus Albion zu reiten, hatte Betty ihre Mutter keinen Moment täuschen können.
    Alice hatte nicht versucht, sie aufzuhalten. Wenn der junge Peter Albion wirklich so fest entschlossen war und wenn ihre vierundzwanzigjährige Tochter sie belog, um sich mit ihm zu treffen, dann war ihr Widerstand sinnlos. Aller Wahrscheinlichkeit nach würde Haus Albion bald wieder einem Albion gehören. So war das Schicksal. All ihren Vorbehalten zum Trotz wusste Alice auch, dass der junge Peter gewiss eine bessere Partie war als ihre übrigen Schwiegersöhne, denn er war beruflich erfolgreich und entstammte einer angesehenen Familie. Vielleicht lag es daran, dass die gewohnte Umgebung des New Forest sie nachsichtig stimmte, doch inzwischen fand Alice es zwecklos, Betty von ihrer Entscheidung abbringen zu wollen.
    Plötzlich hallte Geschrei durch die Dunkelheit. Draußen liefen Männer herum. Es klopfte an die Tür, und Alice hörte eine Stimme.
    »Aufmachen! Im Namen des Königs.«
    Wieder wurde geklopft. Alice eilte in die Kammer, wo Dunne und Hicks schliefen. »Wacht auf!«, rief sie. »Rasch. Ihr müsst Euch verstecken.« Nelthorpe, der Dritte im Bunde, schlummerte im Nebenzimmer. Er war bereits aufgestanden und zog sich die Stiefel an.
    Die vier liefen in der Dunkelheit die Eichentreppe hinab. Die Stiefel der Männer machten einen solchen Lärm, dass man es vermutlich noch bis nach Ringwood hören konnte.
    »Die Hintertür«, zischte Alice und ging voran zur Küche. Doch durch die Fenster erkannten sie herumhuschende Schatten. »Versteckt Euch, so gut Ihr könnt«, sagte sie deshalb und rannte die Stufen hinauf. Das Herz klopfte ihr bis zum Halse. Zwei Dienstboten standen bleich und verängstigt auf dem Treppenabsatz. »Macht die Betten«, flüsterte sie ihnen zu und wies auf die beiden Zimmer, in denen die Männer geschlafen hatten. »Beseitigt alle Spuren. Schnell.« Inzwischen war das Klopfen an der Vorder- und Hintertür lauter geworden. Sicher würde man sie jeden Moment aufbrechen. Wieder eilte Alice nach unten und nahm die Kerze vom Tisch, wo sie diese am Vorabend stehen gelassen hatte. Nachdem sie den Docht an der Glut im Kamin angezündet hatte, ging sie zur Tür, holte tief Luft und schob den schweren Eisenriegel zurück. Während sie die Tür öffnete, dachte sie nur noch, dass sie sich die Angst nicht anmerken lassen durfte.
     
     
    Thomas Penruddock betrachtete die Frau, die vor ihm stand.
    Sie war im Nachthemd und hatte einen Schal um die Schultern geschlungen. Das fast ergraute Haar hing

Weitere Kostenlose Bücher