Der Wald der Könige
türkisfarbenen Himmel über dem New Forest.
Da sah er drei Reiter lautlos durch den Nebel auf sich zukommen.
George Furzey konnte sich nicht mehr beherrschen. Die Hände zwischen die Knie geklemmt, schaukelte er vor Freude hin und her.
Im Osten gingen blässlich die ersten Sterne auf. War William schon mit den Reitern zusammengetroffen?
Wahrscheinlich. War Jim Pride bereits zu seiner vergeblichen Mission aufgebrochen? Gewiss würde er gleich losmarschieren. Furzey war so aufgeregt, dass er es nicht länger in seiner Hütte aushielt. Er trat in den warmen Sommerabend hinaus und setzte sich am Rand der Heide auf den Stamm einer umgestürzten Birke. Nun betrachtete er gebannt die Schönheit des Abendhimmels und wiegte sich wieder hin und her.
Und so fand Stephen Pride ihn vor, als er, ziemlich erschöpft nach einem langen Tag, in Oakley ankam. »Nun«, meinte er. »Du siehst ja zur Abwechslung richtig fröhlich aus, George.«
Furzey hatte sein ganzes Leben in dem Glauben verbracht, dass die Familie Pride ihn von oben herab behandelte. Doch damit war jetzt endgültig Schluss. »Mag sein, dass ich fröhlich bin, aber ich kann fröhlich sein, wann es mir passt«, erwiderte er.
»Solange es dir Freude macht«, entgegnete Pride.
In Furzeys Ohren klang diese Bemerkung ein wenig verächtlich. »Einigen Leuten wird das Lachen noch vergehen, Stephen Pride«, sagte er mit nicht zu überhörender Selbstgefälligkeit. »Und das wird gar nicht mehr lange dauern.«
»Oh?« Pride betrachtete ihn argwöhnisch. »Und was meinst du damit?«
»Zerbrich dir darüber nicht den Kopf. Ich meine gar nichts. Und falls doch, geht es dich nichts an. Du wirst es schon früh genug herausfinden.«
Achselzuckend setzte Stephen Pride seinen Weg fort. Diese unerwartete Böswilligkeit nahm ihn doch sehr mit.
Als er zu Hause ankam, erschrak seine Frau über sein müdes Aussehen und sorgte dafür, dass er sich sofort setzte. »Ich hole dir etwas Brühe. Und du ruhst dich aus.«
Stephen Pride lehnte sich zurück und schloss die Augen. Er überlegte, ob er ein wenig schlafen sollte. Doch stattdessen gingen ihm ständig die Ereignisse der letzten Stunden im Kopf herum. Das Spielen mit seinen Enkeln, das Gespräch mit Jim, die Begegnung mit Betty, der merkwürdige Umstand, dass sie nichts von Furzeys Botschaft wusste. Die Gäste, die heute Nacht in Moyles Court erwartet wurden. Furzeys ungewöhnliche Selbstgefälligkeit.
Auf einmal fuhr er erschrocken hoch, denn wie ein Blitz aus heiterem Himmel hatte ihn eine böse Ahnung getroffen. Für einen Moment wurde er von Todesangst ergriffen, und dann war er hellwach. »Gütiger Himmel!«, rief er aus und sprang auf. Seine Frau eilte erschrocken herbei. »Dieser Teufel!«, schimpfte Stephen Pride weiter. Die Botschaft, die Furzey überbracht hatte, war sicher falsch. Deshalb war George so mit sich zufrieden gewesen. Er hatte Jim nach Moyles Court geschickt, wo heute Gäste eintreffen sollten. Ganz sicher handelte es sich bei den Besuchern um Dissenters. Vielleicht sogar um flüchtige Aufständische. Das musste es sein! Die Erfahrung des Waldbewohners sagte ihm sofort, dass sein Sohn in eine Falle gelockt werden sollte.
»Ich muss die Ponys holen!«, rief er und schob seine Frau beiseite. »Keine Sorge«, meinte er dann, nahm sich zusammen und küsste sie. »Ich bin nicht übergeschnappt. Komm mit.«
Während er hastig vor der Scheune die Tiere sattelte, erklärte er ihr, was er wusste. »Du nimmst das kleinere Pony. Reite so schnell wie möglich zu Jim. Falls er noch nicht fort ist, sag ihm, er soll zu Hause bleiben, aber verrate ihm nicht den Grund. Ich will nicht, dass er mir folgt. Erzähl ihm nur, George Furzey hätte sich geirrt.«
»Und was hast du vor?«
»Ich werde die Leute in Haus Albion warnen, sich nicht vom Fleck zu rühren, sofern sie nicht schon aufgebrochen sind.«
»Und dann?«
»Dann reite ich quer durch den New Forest und fange Jim ab, falls du ihn verpasst hast. Danach geht es weiter nach Moyles Court…«
»Oh, Stephen…«
»Ich muss es tun. Wenn es eine Falle ist, heißt das, dass Dame Alice…«
Sie nickte. Es war zwecklos, ihm zu widersprechen. Kurz darauf galoppierte das Ehepaar die Heide entlang nach Norden. Die Dunkelheit war hereingebrochen, doch die Sterne schienen so hell, dass sie sich gut zurechtfanden. An der Weggabelung vor der Kirche von Boldre hielten Stephen Pride und seine Frau, mit der er seit fünfzig Jahren verheiratet war, kurz an und
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