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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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ihr offen herab. Selbst im Kerzenschein wirkte sie blass. Sie starrte ihn an. »Was hat das zu bedeuten, Sir?«
    »Madam, wir werden im Namen des Königs Euer Haus durchsuchen.«
    »Mein Haus durchsuchen, Sir? Mitten in der Nacht?«
    »Ja, Madam. Und Ihr werdet uns einlassen.«
    Hinter dem Oberst, den Alice inzwischen erkannte, standen zwei Soldaten. Sie machten ganz den Eindruck, als würden sie die Hausherrin einfach beiseite drängen. Sie versuchte, ruhig zu bleiben.
    In diesem Moment dämmerte ihr, dass sie einen schrecklichen Fehler gemacht hatte. Die Soldaten würden die drei Männer ganz gewiss im Haus finden. Und arglos schlafend in ihren Betten hätten sie weitaus weniger verdächtig gewirkt, wohingegen das Aufsuchen eines Verstecks auf Schuldbewusstsein hinwies. Doch nun war es zu spät. Todesangst ergriff sie, und sie bemerkte, dass die Hand, in der sie den Kerzenleuchter hielt, zu zittern begann. Mühsam beherrschte sie sich. Vielleicht würde es ihr gelingen, den Spieß umzudrehen. »Habt Ihr überhaupt eine Genehmigung, in mein Haus einzudringen, Sir?« Sie bedachte ihn mit einem hochmütigen Blick.
    »Der Name des Königs ist meine Genehmigung, Madam.«
    »Zeigt mir Eure Genehmigung, Sir!«, rief sie erbost aus, obwohl sie nicht die leiseste Ahnung hatte, ob er überhaupt eine brauchte, »oder verschwindet!« Sie glaubte zu bemerken, wie er kurz zögerte. »So«, fuhr sie mit lauter Stimme fort. »Offenbar habt Ihr keine. Also seid Ihr im Begriff, Hausfriedensbruch zu begehen.« Mit diesen Worten wollte sie die Tür schließen.
    Doch Penruddocks Stiefel war ihr dabei im Weg. Kurz darauf wurde sie grob von den beiden Soldaten beiseite gestoßen. Zwei ihrer Kameraden erschienen aus der Dunkelheit und polterten an Alice vorbei.
    »Licht«, hörte sie rufen. »Bringt mehr Kerzen.«
     
     
    Die Flüchtigen waren bald aufgespürt. Hinter der Küche lag ein großer, scheunenähnlicher Raum, die so genannte Mälzerei. Der Geistliche Hicks, ein großer, korpulenter Mann, und Dunne, der Bäcker, hatten sich dort unter einigen Abfällen versteckt. Als sie herausgezerrt wurden, sahen sie ziemlich kläglich aus. Hicks’ Begleiter Nelthorpe, der recht lang und hager war, hatte sich in den Kamin verkrochen.
    Kurz richtete Penruddock das Wort an sie: »Richard Nelthorpe, Ihr seid als Rebell für vogelfrei erklärt worden. John Hicks, von Euch weiß man, dass Ihr mit Monmouth unter einer Decke steckt. James Dunne, Ihr seid alle festgenommen. Alice Lisle«, fügte er barsch hinzu, »Ihr habt Verrätern Unterschlupf gewährt.«
    »Ich habe lediglich einem angesehenen Geistlichen ein Nachtlager angeboten«, erwiderte sie höhnisch.
    »Einem flüchtigen Verräter, Madam, der an Monmouths Aufstand beteiligt gewesen ist.«
    »Davon weiß ich nichts, Sir«, entgegnete sie.
    »Darüber werden der Richter und die Geschworenen entscheiden. Ihr seid verhaftet.«
    »Ich?« Sie betrachtete ihr Nachthemd. »Und was für ein Soldat seid Ihr, Sir«, sagte sie verächtlich, »der kommt, um eine Frau in der Nacht zu verschleppen?« Sie machte ihn lächerlich und stellte ihn vor seinen Soldaten als Narren hin.
    Thomas Penruddock war überrascht. Eigentlich hatte er damit gerechnet, eine böse alte Hexe vorzufinden. Doch stattdessen stand er nun vor einer befehlsgewohnten Aristokratin, die sich nicht von ihm einschüchtern ließ. Für einen Moment schienen die Jahre von ihr abzufallen, und er sah denselben schrecklichen Racheengel vor sich, der auch heute noch keinen Moment zögern würde, seinen bedauernswerten Vater zu vernichten. Und als sie ihn aus kalten grauen Augen anblickte, hätte er beinahe zu zittern angefangen. Plötzlich war ihm, als hätte man ihm einen Schlag in die Magengrube versetzt. Der schreckliche Schmerz seiner Kindheit überkam ihn aufs Neue. Es fehlte nicht viel, und er wäre in Tränen ausgebrochen.
    Er wandte sich rasch ab und schritt in die Dunkelheit davon. »Alle verhaften!«, rief er seinen Männern noch zu.
    Es dauerte eine Weile, die Gefangenen aus dem Haus zu bringen. Penruddock bemerkte, dass einer der Soldaten sich einen silbernen Kerzenhalter und Bettwäsche angeeignet hatte. Doch das kümmerte ihn nicht.
    »Wohin bringt Ihr uns?«, fragte Dunne.
    »Nach Salisbury ins Gefängnis«, erwiderte Penruddock gleichmütig. Und so machte man sich auf den Weg, wobei Dame Alice unwürdigerweise hinter einem der Soldaten im Sattel sitzen musste.
    Am 24. August im Jahre des Herrn 1685 erreichte eine große

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