Der Wald der Könige
sei.
»Im New Forest?«, sagte Lady Maud erstaunt. »Ich glaube nicht, dass es mich dorthin zieht.« Sie lächelte Walter verkniffen zu. »Dort leben seltsame Menschen. Wart Ihr schon einmal da, Walter?«
»Nur ein- oder zweimal. Mit der Jagdgesellschaft des Königs.«
»Ach, das ist natürlich etwas anderes.«
Adela bemerkte Walters missbilligenden Blick. Offenbar wollte er, dass sie das Thema wechselte. Doch das ärgerte sie. Warum behandelte er sie die ganze Zeit wie eine Närrin? Ständig hatte er etwas an ihr auszusetzen. »Ich reite häufig allein in den Forest«, sagte sie kühl. »Ich war sogar schon einmal mit auf der Jagd.« Sie hielt inne, damit diese Nachricht verdaut werden konnte. »Mit Eurem Gatten.« Sie grinste Walter trotzig zu.
»Hugh?« Lady Maud runzelte die Stirn und erbleichte ein wenig. »Er war im Forest jagen?« Sie sah ihren Mann fragend an. »Stimmt das, mein Liebling?«, erkundigte sie sich mit seltsam gepresster Stimme.
»Ja, ja«, erwiderte er ausweichend und verzog finster das Gesicht. »Mit Walter. Und mit Cola. Im letzten Frühjahr.«
»Davon habe ich nichts gewusst.«
»Ganz sicher hast du das«, widersprach er streng.
»Ach, ja«, meinte sie leise. »Jetzt fällt es mir wieder ein.« Erneut bedachte sie Adela mit einem schiefen Lächeln, bevor sie gekünstelt fröhlich hinzufügte: »Männer gehen nun mal gerne im New Forest auf die Jagd.«
Walter starrte auf seinen Teller. Martell wirkte ein wenig gereizt. Seine Schultern waren gespannt. Warum hatte er seiner Frau die Jagd verschwiegen? Hatte sein Besuch im New Forest einen anderen Grund gehabt? War er vielleicht öfter unter einem Vorwand von zu Hause abwesend? Adela überlegte. Falls er hin und wieder das Bedürfnis hatte, seiner Frau zu entfliehen, war das durchaus verständlich, ganz gleich, was er in dieser Zeit trieb.
Walter sprang für sie in die Bresche. »Apropos König«, sagte er ruhig, als hätte der peinliche Wortwechsel nie stattgefunden.
»Habt Ihr schon gehört…« Und dann berichtete er von einem der jüngsten Skandale am Königshof. Wie so oft ging es darum, dass sich der König gegenüber einigen Mönchen im Ton vergriffen hatte. Da Rufus mit der Kirche auf Kriegsfuß stand, konnte er der Versuchung nur selten widerstehen, Geistliche zu hänseln. Und natürlich war es dem normannischen König wieder einmal gelungen, gleichzeitig unhöflich und komisch zu sein. Obwohl Lady Maud wohl zunächst eine schockierte Miene für angebracht hielt, lachte sie bald so laut wie ihr Gatte.
»Von wem habt Ihr das erfahren«, fragte Martell.
»Ach, vom Erzbischof von Canterbury persönlich«, gestand Walter, was die Heiterkeit noch mehr steigerte. Adela fand es höchst amüsant, dass es Tyrrell irgendwie gelungen war, sich beim frommen Erzbischof Anselm lieb Kind zu machen.
Nachdem Walter sich für sein Thema erwärmt hatte, erzählte er eine lustige Geschichte nach der anderen. Sie waren wirklich sehr witzig und handelten zum Großteil von einflussreichen Zeitgenossen, wobei Walter seine Zuhörer des Öfteren ermahnte, die Anekdote ja für sich zu behalten. Nur wenige hätten sich dem Charme eines so unterhaltsamen Höflings entziehen können. Für Adela war das eine völlig neue Erkenntnis. Noch nie hatte sie miterlebt, wie Walter diesen Charme versprühte. Mir gegenüber unterlässt er es tunlichst, dachte sie. Aber man musste zugeben, dass er über gewisse Talente verfügte. Adela war wider Willen beeindruckt.
Und ihr kam noch ein weiterer Einfall. Konnte man es ihm zum Vorwurf machen, dass er allmählich die Geduld mit ihr verlor? Ihm, dem gewandten Walter Tyrrell, der in die mächtige Familie Clare eingeheiratet hatte und mit wichtigen Persönlichkeiten verkehrte? Sollte sie ihm grollen, weil es ihm peinlich war, dass sie ein ums andere Mal ins Fettnäpfchen trat?
Als sich die gemütliche Runde schließlich auflöste, um sich auf eine frühe Nachtruhe vorzubereiten, flüsterte Adela Walter zu: »Es tut mir Leid, dass ich mich ständig danebenbenehme.«
Zu ihrem Erstaunen lächelte er sie freundlich an. »Das ist auch mein Fehler, Adela. Ich war nicht sehr nett zu dir.«
»Stimmt. Aber es ist dir sicher lästig, dich ständig um mich zu kümmern.«
»Nun, wir werden sehen, was ich in Winchester für dich erreichen kann. Gute Nacht.«
Als Adela am nächsten Morgen aufwachte, fühlte sie sich wundervoll erfrischt. Sie öffnete die Fensterläden. Der Tag brach an, der klare, blaue Himmel
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