Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
Vom Netzwerk:
versuchen. Vermutlich braucht er einen Erben.«
    »Aber warum Lady Maud?«
    »Sie ist eine reiche Erbin.« Er warf ihr einen forschenden Blick zu. »Er besaß zwei Güter, dieses hier und Tarrant. Sie hat drei weitere mit in die Ehe gebracht, und zwar ebenfalls in dieser Grafschaft. Eines davon grenzt direkt an Tarrant. Auf diese Weise hat er nun zusammenhängende Ländereien. Martell weiß, was er tut.«
    Adela hatte den Wink verstanden – sie selbst hatte keine Güter zu bieten. »Und hat er inzwischen einen Erben?«
    »Bis jetzt haben sie noch keine Kinder.«
    Kurz darauf erschien Lady Maud und brachte die Gäste in den Söller, einen gemütlichen Raum, den man über eine Treppe am anderen Ende der Halle erreichte. Dort wurde sie von einer alten Amme sittsam begrüßt. Adela setzte sich und plauderte höflich, während sich die beiden Frauen mit ihren Stickereien beschäftigten.
    Das Gespräch plätscherte angenehm dahin. Adela befolgte gehorsam Walters Rat und hing an den Lippen ihrer Gastgeberin. Die Herrin des Hauses schien hier in ihrem Element zu sein. Offenbar hatte sie ihren Haushalt gut im Griff: die Küche, wo das Rindfleisch bereits am Spieß brutzelte, die Speisekammer, wo die eingeweckte Marmelade stand, den Kräutergarten und ihre Stickereien, auf die sie und die alte Amme sehr stolz waren. Über all diese Dinge sprach sie glücklich und zufrieden. Doch sobald Adela ihr eine Frage über Ereignisse außerhalb des Hauses stellte – das Gut oder die politische Lage in der Grafschaft –, lächelte die Lady nur schief und erwiderte: »Ach, diese Dinge überlasse ich meinem Gatten. Das ist Männersache, findet Ihr nicht?«
    Gleichwohl kannte sie alle Gutsherren in der Gegend, und Adela konnte nicht glauben, dass sie wirklich nichts über deren Angelegenheiten wusste. Allerdings hielt es Lady Maud offenbar nicht für schicklich, derartige Kenntnisse einzugestehen. Sie hat einen Entschluss gefasst, wer sie sein und was sie denken will, überlegte Adela. Das tut sie, weil sie sich Vorteile davon verspricht. Zweifellos hält sie mich für eine Närrin, weil ich dieses Spiel nicht mitspiele. Außerdem fiel ihr, während sie ruhig vor sich hin stickte, auf, dass Lady Maud überhaupt keine Fragen an sie richtete. Ob das an mangelndem Interesse lag oder daran, dass sie Walters anscheinend arme Verwandte nicht in Verlegenheit bringen wollte, war schwer zu sagen.
    Am Nachmittag unternahmen sie alle einen Ausritt über das Gut, das mit seinen riesigen Feldern, den säuberlich gepflegten Obstgärten und den reich bestückten Fischteichen wie das Sinnbild eines ordentlich geführten Anwesens wirkte. Zweifellos verstand Hugh de Martell etwas von seinem Geschäft. Als sie einen ansteigenden Pfad erreichten, der bis hinauf zum Gipfel führte, galoppierten die beiden Männer los. Am liebsten wäre Adela ihnen im gleichen Tempo gefolgt.
    Doch Lady Maud wollte nichts davon hören. »Wir führen die Pferde am Zügel. Galoppieren ist was für Männer.« Da Adela sich verpflichtet fühlte, ihr Gesellschaft zu leisten, legten sie nur die Hälfte der Strecke zurück, bis die Männer wieder erschienen und sie umkehren mussten.
    »Eine prächtige Aussicht«, schwärmte Walter.
    Als sie von ihrem Ausritt zurückkamen, stellten sie fest, dass die Diener Tische in der Halle aufgebaut und sie mit Tischtüchern bedeckt hatten. Man setzte sich zum Essen. Da sie den ganzen Tag nichts zu sich genommen hatten, wurde nun eine reichhaltige und köstlich angerichtete Mahlzeit aufgetragen. Eine kleine Prozession von Dienstboten servierte Brot, Brühe, Lachs, Forellen und drei verschiedene Fleischsorten. Hugh de Martell schnitt selbst den Braten an, während Lady Maud Walter von ihrem eigenen Teller bediente. Der Wein – eine seltene Köstlichkeit – war klar, gut und leicht gewürzt. Frisches Obst, Käse und Nüsse rundeten das Mahl ab. Tyrrell lobte Lady Maud höflich für jeden Gang, und Martell versuchte, Adela mit einer Anekdote über einen normannischen Kaufmann zu unterhalten, der kein Englisch sprach. Vielleicht trank Adela ein bisschen zu viel Wein.
    Allerdings hatte sie wirklich nicht ahnen können, dass es ein Fehler war, den New Forest zu erwähnen. In Walters Augen hatte sie sich dort lächerlich gemacht, er war davon ausgegangen, dass sie von sich aus nicht auf die Treibjagd zu sprechen käme, und hatte sie deshalb nicht vorgewarnt. Also fragte Adela ihre Gastgeberin in aller Unschuld, ob sie schon einmal dort gewesen

Weitere Kostenlose Bücher