Der Wald der Könige
nicht wusste, ob er kommt«, meinte Edward. »Er versetzt einen nämlich öfter. Das ist Mr. Martell«, fügte er hinzu.
Rasch waren alle einander vorgestellt. Mr. Martell verbeugte sich noch einmal feierlich vor Gilpin, Fanny und Louisa, doch es war schwer zu sagen, ob es sich nur um eine Geste oder um ehrliches Interesse handelte.
»Als ich nach Oxford kam, war Martell im Abschlussjahr«, erklärte Edward. »Er war sehr nett zu mir und hat sogar mit mir geredet.« Edward lachte auf. »Er redet nämlich nicht mit jedem.«
Fanny warf Martell einen Blick zu und erwartete, dass er dies abstreiten würde, was er jedoch tunlichst unterließ.
»Gehören Sie vielleicht zur Familie Martell aus Dorset?«, fragte Gilpin.
»Richtig, Sir«, erwiderte Martell. »Leider muss ich zugeben, dass mir der Name Gilpin nichts sagt.«
»Meine Familie besitzt Scaleby Castle in der Nähe von Carlisle«, entgegnete der Vikar spitz. Fanny hatte das gar nicht gewusst, und sie betrachtete ihren alten Freund mit neuem Interesse.
»Ach, wirklich, Sir? Dann kennen Sie gewiss Lord Laversdale.«
»Schon mein ganzes Leben. Seine Ländereien grenzen an die unserigen.« Nachdem diese Angelegenheit geklärt war, wies Gilpin auf Fanny und meinte beiläufig: »Sie haben doch sicher vom Gut der Albions im New Forest gehört.«
»Selbstverständlich, obwohl ich noch nie das Vergnügen hatte, es zu sehen«, erwiderte Mr. Martell und bedachte Fanny wieder mit einer leichten Verbeugung, die jetzt aber nicht mehr ganz so förmlich routiniert wie bei der Begrüßung wirkte.
»Gehen wir nach draußen«, schlug Edward Totton vor.
Sie waren hübsch anzusehen, wie sie in die idyllische Landschaft hinausschlenderten: die beiden Mädchen in ihren schlichten langen Kleidern, Mr. Gilpin mit dem Hut eines Geistlichen und die beiden Männer in Gehröcken, Kniehosen und gestreiften Seidenstrümpfen. Als sie das College verließen, plauderte Edward angeregt und erklärte, warum sein Freund sich in der Gegend aufhielt. Wie er erzählte, war er während seiner Studienzeit ein ausgezeichneter Sportler und offenbar auch ein begabter Gelehrter gewesen. Doch als sie das Merton Field erreichten, schien das Gespräch vorübergehend zu erlahmen. Denn weder Fanny noch Louisa wollten sich gegenüber dem Fremden in den Vordergrund drängen, und auch Mr. Martell wirkte ziemlich wortkarg. Also ergriff Mr. Gilpin die Initiative und ging neben Martell her, während die anderen in einigem Abstand folgten und zuhörten.
»Haben Sie sich bereits für einen Beruf entschieden, Mr. Martell?«, fragte der Reverend.
»Noch nicht, Sir.«
»Haben Sie denn schon Pläne?«
»Ich hatte welche. In Oxford habe ich mir überlegt, Geistlicher zu werden. Doch familiäre Verpflichtungen hindern mich daran.«
»Ein Mann kann ein großes Gut besitzen und dennoch der Kirche dienen«, widersprach Gilpin. »Mein Vater hat es getan.«
»Gewiss, Sir. Allerdings ist kurz nach meinem Studienabschluss in Oxford ein Verwandter meines Vaters gestorben und hat mir ein großes Gut in Kent hinterlassen. Dieses und die Güter in Dorset werden nach dem Tod meines Vaters mir gehören. Die beiden Besitzungen liegen weit auseinander. Und wenn ich nicht eine von ihnen aufgebe, was ich als Missbrauch des in mich gesetzten Vertrauens betrachten würde, wäre es meiner Ansicht nach unmöglich, gleichzeitig meinen Pflichten als Geistlicher gerecht zu werden. Natürlich könnte ich einen ständigen Kurator einstellen. Aber dann wäre es ziemlich sinnlos, überhaupt ein Kirchenamt zu übernehmen.«
»Ich verstehe«, erwiderte Mr. Gilpin.
»Ich spiele mit dem Gedanken«, fuhr Mr. Martell fort, »in die Politik zu gehen.«
»Er hätte gerne einen Sitz im Parlament«, sagte jetzt Edward. »Ich habe ihm gesagt, er soll sich an Harry Burrard wenden, denn er entscheidet über die Abgeordneten aus Lymington.« Er lachte auf. »Ich finde, Martell sollte uns vertreten, Mr. Gilpin. Was halten Sie davon?«
Die Antwort des Vikars von Boldre sollten die anderen nie erfahren, denn Fanny stieß plötzlich einen Schrei aus: »Oh, sehen Sie, Mr. Gilpin! Eine Ruine.«
Sie wies auf eine kleine Brücke über dem Fluss, die ein wenig links von ihnen lag. Man konnte sie zwar nicht unbedingt als Ruine bezeichnen, doch sie befand sich in einem recht heruntergekommenen Zustand und wirkte mit ihren vom Zerfall bedrohten Bögen ausgesprochen baufällig.
»Folly Bridge«, verkündete Mr. Gilpin, der offenbar erleichtert war, das
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