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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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auffordern, das sei doch nicht weiter wichtig.
    »Zuweilen erstaunt es mich selbst«, merkte Martell, der kein Spielverderber war, an, »dass ich überhaupt mit jemandem spreche.«
    Edward brach in Gelächter aus. Louisa lächelte. Und Fanny war insgeheim sehr froh darüber, eine Albion zu sein.
    Sie kehrten zur Kutsche zurück. Alle schienen bester Stimmung, bis auf Mr. Gilpin, der ein wenig einsilbig war.
    An der Kutsche verabschiedeten sie sich von Mr. Martell, der noch einen Besuch in der Nachbarschaft machen wollte.
    »Aber wir müssen uns nicht für lange trennen«, verkündete Edward, »denn Martell hat die Einladung angenommen, zu uns nach Lymington zu kommen. Sehr bald, sagt er. Es ist schon alles vereinbart.«
    Das war wirklich eine Überraschung, die Fanny, wie sie sich eingestehen musste, nicht ganz unwillkommen war. Falls er bei den Tottons wohnte, würde sie ihn nicht öfter sehen müssen, als es ihr gefiel.
    Also sagten sie einander Lebewohl, blickten ihm nach, wie er davonritt, und fuhren dann zu ihrem letzten gemeinsamen Abendessen nach Oxford. Am nächsten Morgen würden die Mädchen mit Mr. Gilpin abreisen, und selbstverständlich vergaßen sie nicht, sich beim Essen gebührend bei ihm zu bedanken.
    Als Fanny, unterstützt von einem Zimmermädchen, ihre Sachen packte, war sie ausgezeichneter Stimmung.
    Louisa, die ebenfalls die Rückreise vorbereitete, sagte plötzlich: »Fanny, ich glaube, du magst Mr. Martell.«
    »Ich? Aber nein, Louisa. Nicht wirklich.«
    »Oh?«, entgegnete Louisa und bedachte sie mit einem Seitenblick. »Ich jedenfalls mag ihn.«
     
     
    Seit vielen Jahren lebte Puckle nun schon in Beaulieu Rails. Hin und wieder besuchte er seine Verwandten auf der westlichen Seite des New Forest. Als er sich an diesem Sonntagmorgen auf den Weg über die Heide machte, nahmen seine Nachbarn an, dass er auch diesmal dorthin wollte. Sie wären sehr überrascht gewesen, hätten sie gesehen, wie er durch den Wald nach Norden marschierte, vorbei an Lyndhurst und an Minstead. Am späten Vormittag erreichte er den verabredeten Treffpunkt, einen Gedenkstein.
    Die Rufuseiche war verschwunden. Ihr morscher, ausgehöhlter Stamm war schließlich verrottet, und auch der verbliebene Baumstumpf war schon vor einem Jahrhundert zerfallen. Stattdessen hatte man einen Gedenkstein aufgestellt, der an die historische Bedeutung dieses Ortes erinnern sollte. Viele erinnerten sich noch daran, dass der Baum auf wundersame Weise im Winter Blätter getrieben hatte. Eine Inschrift im Stein verkündete, dass König Wilhelm Rufus hier an der Eiche zu Tode gekommen war.
    Puckle blieb stehen und sah sich um. Ganz in der Nähe standen die beiden Söhne des alten Baumes. Einer war beschnitten worden, den anderen hatte man seinem natürlichen Wachstum überlassen. Puckles geschulter Blick erkannte sofort, dass der beschnittene Baum kein gutes Schiffsbauholz abgeben würde. Der andere Baum hingegen war reif zum Fällen. Und hinter diesem Baum zeigte sich nun eine Gestalt – Grockleton war pünktlich.
    Vorsichtig näherte sich Puckle dem Zollinspektor, der hinter dem Baum verharrte, hielt inne und schaute sich wieder um.
    »Wir sind allein«, sagte Grockleton. »Ich habe aufgepasst.«
    »Dann ist ja alles in Ordnung.«
    Grockleton wartete darauf, dass der Waldbewohner das Wort ergriff. Als dieser schwieg, begann er zu sprechen: »Und Sie glauben, dass Sie mir helfen können?«
    »Vielleicht.«
    »Wie?«
    »Ich könnte Ihnen so manches erzählen.«
    »Warum sollten Sie das tun?«
    »Ich habe meine Gründe.«
    Grockleton stand die Szene noch lebhaft vor Augen. Bis jetzt war er noch nicht dahinter gekommen, womit dieser Waldbewohner den Wirt des Angel Inn gegen sich aufgebracht hatte. Doch offenbar ging es um mehr als um betrunkenes Randalieren. Puckle hatte sogar ziemlich ruhig und nüchtern gewirkt. Dennoch hatte Isaac Seagull ihn aus unbekannten Gründen zur Tür geschleppt und ihn mit einem Tritt in den Allerwertesten hinaus auf die High Street befördert. Den Blick, mit dem Puckle den Wirt bedacht hatte, während er sich aufrappelte, würde Grockleton nie vergessen: blanker Hass.
    Kurz danach war er auf dem Nachhauseritt dem Waldbewohner begegnet. Nachdem er ihn auf der menschenleeren Landstraße eingeholt hatte, meinte er, er werde sich nicht lumpen lassen, falls Puckle ihm etwas zu sagen hätte. Es war nur eine Vermutung gewesen, doch solche Anwerbungsversuche gehörten zu den Aufgaben eines Zollinspektors. Und er hegte

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