Der Wald der Könige
schon seit geraumer Zeit den Verdacht, dass Seagull als Pächter des Gasthofs Schmugglerware bezog.
Zwei Tage später hatte Puckle Verbindung mit ihm aufgenommen. Und nun sprachen sie miteinander.
»Was hätten Sie mir denn mitzuteilen? Etwas über Isaac Seagull?«
»Er ist ein elender Dreckskerl«, sagte Puckle verbittert.
»Offenbar haben Sie Streit miteinander.«
»Stimmt.« Puckle hielt inne. »Doch das ist noch nicht alles. Sie haben sicher gehört, dass vor ein paar Jahren Ambrose Hole ausgeräumt wurde.«
»Natürlich.« Grockleton wusste genau über die Aktion gegen die Bande von Straßenräubern Bescheid, die kurz vor seiner Versetzung nach Lymington stattgefunden hatte.
Puckle spuckte angewidert aus. »Zwei der Gefangenen gehörten zu meiner Familie. Und dreimal können Sie raten, wer sie verpfiffen hat. Der verdammte Isaac Seagull! Und er weiß genau, dass ich im Bilde bin.« Das war wirklich ein Grund, den Mann zu hassen. Grockleton hörte aufmerksam zu. »Er behandelt mich wie den letzten Dreck«, fuhr Puckle erbost fort. »Weil er glaubt, dass ich mich vor ihm fürchte.«
»Fürchten Sie sich denn vor ihm?«
Puckle schwieg, als fiele es ihm schwer, das zuzugeben. Sein wettergegerbtes Gesicht erinnerte Grockleton an eine verkrüppelte Eiche, so wie er Seagull stets mit einem schnellen Schiff mit zum Wind gedrehten Segel verglich.
»Ja«, antwortete der Waldbewohner schließlich leise. »Ich habe Angst vor ihm. Und das ist auch sehr vernünftig.«
Grockleton verstand. Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Schmugglern und Zöllnern waren zwar selten, lagen aber durchaus im Bereich des Möglichen. Hin und wieder geschah es, dass die Schmuggler an die Tür eines Inspektors klopften, der ihnen zu sehr zusetzte, und ihm eine Kugel in den Kopf verpassten.
»Und was wollen Sie?«, erkundigte sich Puckle.
»Eine große Lieferung abfangen. Was sonst?«
»Dazu haben Sie nicht genügend Leute.«
»Das ist meine Sache.«
Puckle blickte nachdenklich drein. »Es würde Sie einiges kosten«, meinte er dann.
»Einen Anteil an der beschlagnahmten Ware.« Sie wussten beide, dass das ein kleines Vermögen sein konnte.
»Schnappen Sie sich Isaac Seagull?«
»Wenn er dabei ist, ja.«
»Bringen Sie ihn um«, meinte Puckle leise.
»Nur, falls sie auf uns schießen.«
»Das werden sie sicher tun. Aber ich brauche einen Vorschuss. Und ein schnelles Pferd.« Als er Grockletons zweifelnde Miene bemerkte, ergänzte er: »Was, glauben Sie, werden die mit mir anstellen, wenn sie mich erwischen?«
»Vielleicht gar nichts.«
»Darauf verlasse ich mich lieber nicht. Ich werde aus dem New Forest fortgehen, weit, weit weg.«
Grockleton versuchte, sich Puckle außerhalb des New Forest vorzustellen. Das war nicht leicht. Auch als er sich Puckle als reichen Mann ausmalen wollte, versagte seine Phantasie. Er seufzte. Ein Mensch konnte sich durch Wohlstand sehr verändern. »Fünfzig Pfund«, sagte er. »Den Rest später. Wir können einen Übergabeort in Winchester oder in London vereinbaren. Wo immer Sie wollen.«
Er bemerkte, dass es Puckle Mühe kostete, seine Verblüffung zu verbergen. Offenbar hatte ihn die Summe beeindruckt.
»Aber es wird eine Weile dauern«, meinte Puckle. »Darüber müssen Sie sich im Klaren sein.«
Grockleton nickte. Die großen Schmuggelfahrten fanden für gewöhnlich im Winter statt, wenn die Nächte länger waren.
»Und da wäre noch etwas«, fuhr Puckle nachdenklich fort. »Wie soll ich mit Ihnen Verbindung aufnehmen? Schließlich darf ich mich nicht mit Ihnen blicken lassen.«
»Das ist mir klar, daher habe ich mir auch schon etwas überlegt. Vielleicht habe ich eine Lösung.«
»Und wie sieht die aus?«
»Ein Junge«, erwiderte Grockleton.
Es vergingen einige Wochen, bis Mr. Martell sich in Lymington blicken ließ, doch er hatte den Zeitpunkt sorgfältig gewählt.
Es war ein schöner Sommermorgen, und er war guter Stimmung. Es war ihm lieber gewesen, vorauszureiten und seinen Diener mit den Koffern folgen zu lassen. Als er den Schlagbaum an der Gemeindegrenze passierte, wurde ihm klar, dass er noch nie hier gewesen war.
Er zweifelte nicht daran, dass sein Aufenthalt sehr angenehm und lehrreich werden würde. Er mochte den jungen Edward Totton. Auch wenn sie nur wenig gemeinsam hatten, gefielen ihm seine fröhliche Art und der Umstand, dass Totton anders als viele Menschen nicht in Ehrfurcht vor ihm erstarrte. Sein Ruf hatte als unnahbarer Mann auch seine
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