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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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nicht los: Warum hatte sich Fannys Verhalten ihm gegenüber so plötzlich verändert? Natürlich war es möglich, dass er sie von Anfang an missverstanden hatte und dass sie gar nichts von ihm wissen wollte. Vielleicht hatte seine eigene Eitelkeit ihn getäuscht. Andererseits musste ein Mann seinem Instinkt vertrauen, und Martell war sicher gewesen, dass sie ein Auge auf ihn geworfen hatte. Weshalb also auf einmal diese Kälte? Sogar in ihrem Blick. Obwohl sie zugegebenermaßen gute Gründe dafür hatte, steckte gewiss doch mehr dahinter. Auch wenn Mrs. Grockletons Aussagen in diesen Dingen nicht sehr zuverlässig waren, existierte besagter Arthur West wohl tatsächlich, war vielleicht sogar Junggeselle und deshalb ein Faktor, der nicht vernachlässigt werden durfte. Ich hätte früher zurückkommen sollen, dachte er sich, anstatt Spielchen zu treiben. Aber war das wirklich die Erklärung für ihr kühles Verhalten? Und was sollte er jetzt unternehmen?
    Doch dazu musste er sich zuerst darüber klar werden, was er eigentlich wollte.
    Es nützte nichts. Er würde ohnehin keinen Schlaf finden. Martell griff nach seinen Stiefeln und schlich die Treppe hinunter nach draußen. Es war eine wunderschöne und warme Septembernacht. Die Sterne über dem New Forest funkelten kristallklar vom Himmel. Im Mondlicht machte er sich auf den Weg zur Heide von Beaulieu.
    Gemütlich schlenderte er die Heide entlang und an Oakley vorbei. Er hatte kein besonderes Ziel, und er war etwa anderthalb Kilometer weit gekommen, als ihm einfiel, dass die Kirche von Boldre ganz in der Nähe sein musste. Und wirklich, nachdem er dem Pfad eine Weile gefolgt war, stieß er auf das heimelige Gotteshaus, das sich im Mondlicht auf dem Hügel erhob. Er umrundete das Gebäude und dachte daran, dass es von hier aus nicht weit nach Haus Albion war. Also nahm er die Straße hinab ins Tal und schlug dann den Weg ein, der durch den Wald nach Norden führte. Als er den Fluss über die Steine plätschern hörte, schritt er die noch finstere Auffahrt hinunter, bis er die Lichtung erreichte. Vor sich sah er die geisterhaften Giebel des Hauses, die ins kalte Mondlicht ragten. Vorsichtig pirschte er sich weiter und hielt sich am Rand des Grundstücks, da er nicht die Hunde wecken oder die Aufmerksamkeit wachsamer Geister erregen wollte, die vielleicht oben in den Balken oder auf den Kaminen Posten bezogen hatten, um Ausschau zu halten.
    Er fragte sich, welches Zimmer wohl ihres war. Wo schlief der alte Francis Albion? Welche Geschichte hatte dieses alte Haus, und welche Geheimnisse beherbergte es? Konnte es sein, dass Fannys ablehnende Haltung ihre Ursache nicht nur in Gleichgültigkeit oder im Vorhandensein eines Nebenbuhlers hatte? Lag der Grund in ihrer Seele, hing ihr sonderbarer Stimmungsumschwung mit diesem Haus zusammen?
    Auch wenn er glaubte, dass ihm seine Phantasie einen Streich spielte, harrte er noch eine Weile aus. Er suchte sich eine Stelle, von der aus er das Fenster, das er für ihres hielt, gut im Blick hatte. Etwa eine Stunde lang blieb er dort stehen.
    Einige Zeit vor Morgengrauen, die Schatten der Bäume auf dem mondbeschienenen Rasen waren noch lang, sah er, wie sich die hölzernen Fensterläden öffneten. Dann ging das Fenster auf.
    Fanny trug ein weißes Nachthemd. Sie starrte ins Mondlicht hinaus. Das Haar fiel ihr offen über die Schultern, und ihr Gesicht – so schön und doch so traurig – wirkte unwirklich und geisterhaft. Sie bemerkte ihn nicht, und nach einer Weile schloss sie die Läden wieder.
    Die Oktoberluft war schon frisch, als Puckle nach Beaulieu Rails kam. Draußen in der dunstigen, braunen Heide kündete das urwüchsige Röhren eines Rothirsches davon, dass die Brunftzeit begonnen hatte.
    Puckle war müde. Den ganzen Tag lang hatte er in Buckler’s Hard gearbeitet. Dann hatte er einem Freund auf dem Bauernhof, der früher das Gut St. Leonards gewesen war, einen kurzen Besuch abgestattet. Nun ging er auf die Hütten am Rande der Heide zu. Es dämmerte, und er wollte nur noch ins Bett. Gerade hatte er die Tür seiner kleinen Kate erreicht, als ihn ein Geräusch herumfahren ließ. Es war das Hufgetrappel eines Pferdes, das sich auf dem Pfad näherte – ein Pferd und ein Reiter. Noch ehe Puckle sich umgedreht hatte, wusste er, wer der Besucher war.
    Trotz der Dunkelheit waren Isaac Seagulls kinnloses Gesicht und sein spöttisches Lächeln unverkennbar.
    Der Schmuggler sprach erst, als er nahe genug an Puckle herangekommen war.

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