Der Wald der Könige
Nathaniel Furzey auf die Schliche gekommen.
Wie nicht anders zu erwarten, hatte schließlich jemand zu reden angefangen. In den Weihnachtsferien hatte es einer der Komplizen seiner Schwester erzählt, die es wiederum an die Mutter weitergab. Eine Woche später hatte es sich im ganzen New Forest herumgesprochen. Manche lachten darüber, andere waren empört. Den Prides war die Angelegenheit schrecklich peinlich, und die Eltern der übrigen Jungen kochten vor Wut. Immerhin hatte Nathaniel seine Freunde dazu angestiftet, sich nachts aus ihren Hütten zu schleichen, nackt herumzulaufen und sich als kleine Hexenmeister zu betätigen. Man suchte den Vikar auf.
Auch der Schulmeister wandte sich an den Geistlichen. »So kann es nicht weitergehen«, sagte er zu Gilpin. »Der Junge übt einen schlechten Einfluss auf die übrigen Schüler aus. Ich glaube nicht, dass ich weiterhin hier unterrichten kann, solange er an der Schule bleibt. Vielleicht«, fügte er hämisch hinzu, denn es war ihm schon lange ein Dorn im Auge, »haben Sie ihm ja zu viel beigebracht.«
Widerspruch war sinnlos, und Gilpin war zu klug, um den Schulmeister gegen sich aufzubringen. Also wurde Nathaniel zu seiner Familie nach Minstead geschickt. Seine Zeit an Mr. Gilpins Schule war vorbei.
Doch was sollte nun aus ihm werden? Die übrigen Schüler kehrten mit elf oder zwölf Jahren entweder nach Hause zurück, um auf dem Hof ihrer Eltern zu arbeiten, oder sie begannen eine Lehre bei einem Kaufmann oder bei einem Handwerker. Aber je länger Gilpin darüber nachdachte, desto unmöglicher erschien es ihm, dass der Junge sich in den Alltag einer Werkstatt einfügen würde. Er konnte sich bildlich vorstellen, wie er seinen bedauernswerten Lehrherrn so lange mit Streichen plagte, bis dieser ihn lange vor Beendigung der Lehrzeit auf die Straße setzte. Der Vikar malte sich aus, wie Nathaniel in Southampton Arbeit suchte, einer Presspatrouille der Marine in die Hände fiel und an Bord eines Schiffes verschleppt wurde. Und was würde dann geschehen? Die Marine war Englands größte Zierde, ihr hölzerner Verteidigungswall. Doch wie sah das Leben der in den Dienst gezwungenen Männer auf diesen ruhmreichen Schiffen aus? »Rum, Sodomie und die Peitsche«, hatte ein alter Seemann ihm einmal gesagt. Gilpin hoffte, dass der Mann übertrieben hatte – aber wie dem auch sei, jedenfalls hatte Nathaniel Furzey eine bessere Zukunft verdient.
Wegen seines regen Verstandes und seiner Unternehmungslust standen ihm nach Gilpins Einschätzung zwei Wege offen: Er konnte sich, wenn er eine gute Ausbildung erhielt, als armer Gelehrter in Oxford niederlassen und vielleicht sogar Geistlicher werden. Sofern er im New Forest blieb, würde er sich zu einem sehr erfolgreichen Schmuggler entwickeln – weshalb es wohl das Beste war, dass er gleich zu Isaac Seagull in die Lehre ging. Denn wenn schon unbedingt geschmuggelt werden musste, dann wenigstens von fähigen Leuten. Mr. Gilpin entging die Ironie dieser Situation nicht, als er den Fall mir Mr. Drummond und Sir Harry Burrard erörterte. Offenbar fanden die beiden würdigen Herren die vorgetragenen Möglichkeiten höchst interessant.
Schließlich kam es aus unerwarteter Richtung zu einer Lösung. Der Kaufmann Mr. Totton hatte bei den Burrards gespeist und von Nathaniel gehört. »Da meine Kinder die Ausbildung nun hinter sich haben«, sagte er Gilpin in seiner umgänglichen Art, »würde ich dem Jungen gerne helfen, sofern Sie es empfehlen. Doch er scheint ein wenig ungebärdig zu sein.«
»Ich glaube, er langweilt sich nur. Allerdings wäre es für Sie ein Risiko.«
»Als Kaufmann muss man auch Risiken eingehen können«, erwiderte Totton vergnügt. »Wo sollen wir ihn denn zur Schule schicken?«
»In Winchester gibt es eine sehr gute«, antwortete Gilpin.
Und da auf eine gute Tat fast immer die nächste folgt, machte sich Mr. Gilpin nur wenige Tage, nachdem der kleine Nathaniel in Winchester untergebracht worden war, daran, etwas für Fanny zu unternehmen.
»Bath!«, rief Mrs. Grockleton aus. »Bath! Und noch dazu mit Fanny Albion in unserer Obhut. Wir werden sie behandeln, als wären wir ihre Eltern, Mr. Grockleton. In loco parentis.« Sie sprach die lateinische Wendung aus, als handle es sich um ein Staatsgeheimnis. »Stell dir das nur vor. Und außerdem«, fügte sie ein wenig taktlos hinzu, »hast du hier zurzeit ohnehin nichts zu tun.«
»Sind die Albions damit einverstanden?«
»Nun, der alte Mr. Albion ist
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