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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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natürlich wie immer dagegen. Und Fanny möchte ihn nur ungern allein lassen. Doch Mr. Gilpin hat sie überredet, wenigstens darüber nachzudenken. Und Mrs. Pride, die Haushälterin, die eigentlich ihr Kindermädchen war, unterstützt diesen Plan soweit ich weiß ebenfalls. Außerdem hat der Vikar die alte Miss Adelaide schon fast umgestimmt. Also ist die Sache mehr oder weniger entschieden.«
    »Obwohl Mr. Albion dagegen ist?«
    »Nun, mein Liebster, in diesem Haus treffen die Frauen die Entscheidungen.«
    »Aha«, meinte Mr. Grockleton. »Dann glaube ich«, fuhr er nach einer kurzen Pause fort, in der er sich überlegt hatte, dass es eine wunderbare Gelegenheit war, Lymington für eine Weile den Rücken zu kehren, »dass wir wohl am besten nach Bath fahren.«
    »Danke, Mr. Grockleton.« Seine Frau strahlte übers ganze Gesicht. »Ich habe ihnen schon gesagt, dass du immer meiner Meinung bist.«
    Zwei Wochen später reisten sie ab.
     
     
    »Oh, Fanny, wir wohnen ganz oben auf dem Hügel!«, rief Mrs. Grockleton bei ihrer Ankunft aus. »In allerbester Lage also«, fügte sie hinzu, nur für den Fall, dass Fanny sie nicht verstanden hatte. Der Aufenthalt sollte sechs Wochen dauern. Danach begannen Leute, die etwas auf sich hielten, sich nämlich in Bath zu langweilen, obwohl einige wenige – aus gesundheitlichen oder anderen Gründen – das ganze Jahr hier verbrachten.
    Mr. Grockleton hatte wirklich ein wunderschönes Haus angemietet. Wie die meisten Häuser in Bath gehörte es zu einer hübschen georgianischen Wohnanlage und war aus cremefarbenem Stein erbaut.
    Die Häuser standen in Reih und Glied auf den steilen Abhängen und boten Aussicht auf die Täler der Stadt, durch die sich zwischen felsigen Ufern ein Fluss schlängelte. Wenn der liebe Gott Mrs. Grockleton gefragt hätte, wie er das Paradies denn erschaffen solle, hätte sie vermutlich geantwortet: »So, dass es wie Bath aussieht.« Allerdings hätte sie angesichts ihrer eigenen Pläne gewiss noch hinzugefügt: »Aber mach, dass es am Meer liegt.«
    Fanny gefiel es hier weniger, obwohl sie ihre Meinung für sich behielt. Das Haus war zwar gut geschnitten und elegant, verfügte jedoch wie die meisten derartigen Anwesen in Bath nicht über einen Garten. Immerhin war es ziemlich groß. Die Kinder der Grockletons wurden in den Kinderzimmern im Obergeschoss untergebracht. Die Empfangsräume lagen im Parterre und boten einen malerischen Blick über die Stadt. Fanny saß gerne dort und genoss die Aussicht. Sie versuchte sogar, sie zu zeichnen. Doch Mrs. Grockleton gönnte ihr nur wenig Ruhe.
    Sie sorgte dafür, dass Fanny genügend Luftveränderung bekam, und ging mit ihr zur Mineralquelle neben dem alten römischen Bad, um Heilwasser zu trinken. In dem großen Hof, wo eine alte gotische Abteikirche einen hübschen Kontrast zur klassischen Architektur bildete, warteten Männer in blauen Jacken mit Goldknöpfen, um die Kurgäste auf Sänften umherzutragen. Mrs. Grockleton bestand darauf, dass sie und Fanny beim ersten Mal eine benutzten.
    Am nächsten Tag besuchten sie ein Konzert in den großen, prächtig gestalteten Gemeinderäumen. Sie erfuhren, dass in zwei Tagen ein Ball stattfinden sollte, und Mrs. Grockleton ordnete an, man müsse dort unbedingt erscheinen.
    Der dritte Tag wurde hauptsächlich mit einem Einkaufsbummel verbracht. Sie erstanden zwar nichts, sahen sich aber die eleganten Geschäfte an und beobachteten die anderen Kunden.
    »Denn Bath macht die modischen Vorgaben«, verkündete Mrs. Grockleton. »Hier trifft sich die bessere Gesellschaft. Bath ist« – der plötzliche Einfall sagte ihr sehr zu – »wie unsere Akademie. Selbst die charmantesten jungen Damen aus bester Familie, die ihr ganzes Leben auf dem Land verbracht haben, können von einem Besuch in Bath profitieren.«
    Der Ball entpuppte sich als kleine Enttäuschung. Falls sich die bessere Gesellschaft wirklich in Bath aufhielt, hatte sie beschlossen, durch Abwesenheit zu glänzen. Stattdessen war eine große Schar von Witwen, Invaliden, pensionierten Offizieren und Kaufleuten gekommen, die fröhlich und unter gehörigem Lärm in den Abend hineintanzten. Sie lernten die Familie eines Kaufmanns aus Bristol kennen, dessen beide Söhne Fanny zum Tanzen aufforderten. Außerdem tanzte sie mit einem sehr netten Major, dessen speckig glänzender Uniformkragen darauf hinwies, dass der Stoff bald fadenscheinig werden würde. »Sie brauchen mich nicht zu fürchten«, meinte er freundlich. »Ich

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