Der Wald der Könige
bin hier, um mir eine reiche Witwe zu angeln.«
Wie sich herausstellte, war der Major sehr amüsant und erzählte Fanny viel Nützliches über die Stadt. »Bessere Leute wie Sie bleiben abends oben auf den Hügeln unter sich. Sie kommen nur selten in die unteren Gemeinderäume, wenn es nichts Wichtiges zu sehen gibt. Stattdessen veranstalten sie ihre privaten Feste. Dort gehören Sie hin.«
Mrs. Grockleton war zu einem ganz ähnlichen Schluss gekommen. »Ich fürchte«, meinte sie, als sie nachts mit ihrem Mann allein war, »dass heute Abend nur Leute wie wir gekommen sind.«
»Du hast wohl keine Lust, mit unseresgleichen zu verkehren?«, fragte ihr Mann wohlwollend.
»Dann hätten wir uns das Geld sparen und zu Hause bleiben können.«
In der Mitte der zweiten Woche kam es zu einem seltsamen Zwischenfall. Nachdem Fanny ein paar Stunden gelangweilt mit den Kindern der Grockletons im Haus gespielt hatte, war sie allein in die Stadt gegangen. Die Läden in den Arkaden boten alle möglichen Luxusgüter feil, doch ein prächtiges Porzellanservice aus Worchester in einem Schaufenster zog Fannys Blick besonders an. Es war im griechisch-römischen Stil mit englischen Landschaften bemalt. Da das Dekor der Architektur dieses Badeortes so sehr entsprach, beschloss Fanny, es sich aus der Nähe anzusehen. Nachdem sie die reizenden Bilder etwa eine halbe Stunde lang betrachtet hatte, war ihre Niedergeschlagenheit fast verflogen. Schließlich riss sie sich von dem Anblick los und ging den Hügel hinauf.
Sie war erst ein Stück weit gekommen, als sie eine Kreuzung erreichte. Auf der Straße rechts von ihr erkannte sie in etwa hundert Metern Entfernung Mr. Martell, der gerade aus einer Kutsche stieg. Er hatte ihr den Rücken zugewandt und half einer sehr elegant gekleideten jungen Dame aus dem Gefährt. Dann verschwanden die beiden in einem großen Haus.
Mr. Martell. Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Mit einer Dame. Warum nicht mit einer Dame? War es wirklich Mr. Martell gewesen? Schließlich hatte sie sein Gesicht nicht sehen können. Ein hoch gewachsener, düsterer Mann mit dunklem Haar. Die Kutsche wurde von vier prachtvollen, geschmückten Pferden gezogen und gehörte sicherlich einem Adeligen. In Bewegung und Gestalt hatte der Mann sie stark an Mr. Martell erinnert. Dann aber dachte sie an das Porträt und überlegte, dass Mr. Martell in Bath gewiss noch weitere Doppelgänger hatte.
Oder war es doch Mr. Martell gewesen? Sie spürte, wie ihr Herz schneller schlug. Obwohl sie ihre Neugier gern befriedigt hätte, zögerte sie. Was würde sie tun, wenn sie ihm begegnete? Würden sie miteinander sprechen? Was sollte sie zu Mr. Martell und der hübschen jungen Dame sagen? Würden sie einander zufällig treffen, wenn er wirklich in Bath wohnte? Oder würde er sich nur in privaten Kreisen bewegen und zu Hause bleiben, sodass sie ihn nie wieder sah?
Da er mit besseren Leuten verkehrt, hat er sicher keine Lust auf meine Gesellschaft, sagte sie sich schließlich. Außerdem hat er inzwischen gewiss sein Herz verschenkt. Und darüber hinaus ist er ein Penruddock, von dem ich mich fern halten muss.
Doch sie rührte sich nicht von der Stelle, redete sich ein, sie wolle nur die Aussicht bewundern, und wartete noch eine Weile, für den Fall, dass der Mann wieder aus dem Haus kam. Vielleicht hatte er die Dame ja nur nach Hause begleitet. Aber niemand zeigte sich. Die Kutsche stand noch immer an Ort und Stelle. Nach einigen Minuten näherte Fanny sich der Kutsche, und sie sagte sich, dass es nur Neugier war.
Dennoch klopfte ihr das Herz bis zum Halse. Was war, wenn er jetzt erschien und sie einander begegneten? Sie würde sich höflich, aber kühl verhalten und ihm dann die kalte Schulter zeigen. Sie nahm sich fest vor, sich keine Zweifel zu gestatten; und von diesem Vorsatz gestärkt, schlenderte sie lässig auf die Kutsche mit den großen Rädern zu.
Die Tür des Hauses war geschlossen. Der Kutscher in seinem eleganten schokoladenbraunen Rock und Umhang saß auf dem Bock. Lächelnd blickte Fanny zu ihm hinauf. »Das ist aber eine sehr hübsche Kutsche«, sagte sie freundlich. Er salutierte und bedankte sich höflich. »Wem gehört sie denn?«
»Mr. Markham, Mylady«, lautete die Antwort.
»Sagten Sie Markam oder Martell?«
»Markham, Mylady. Ich kenne keinen Mr. Martell. Mr. Markham ist soeben ins Haus gegangen.«
»Oh, ich verstehe.« Sie zwang sich wieder zu einem Lächeln und spazierte weiter. Hatte sie sich zum Narren
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