Der Wald der Könige
Road traf. Da Pitts Deep schwer einzusehen war, sollte heute Nacht hier Ware angeliefert werden.
Grockleton zuckte zusammen. Unwillkürlich umklammerte seine klauenähnliche Hand Puckles Arm, sodass dieser einen Fluch murmelte, weil die Laterne dabei ins Schwanken geriet.
Angestrengt blickte der Zollinspektor in die Dunkelheit, und schließlich bemerkte er ein bläuliches Licht, das draußen auf dem Meer blinkte. Puckle gab ein Zeichen mit der Laterne. Das blaue Licht blinkte zweimal. Puckle wiederholte das Signal. Darauf folgte ein langer, blauer Blitz.
»Sie kommen«, sagte der Schmuggler leise. Die Sterne schienen durch eine kleine Wolkenlücke, sodass man nun das Ufer und die weißen Schaumkronen der Wellen sehen konnte. Grockleton spürte, wie sein Herz schneller schlug. Der Augenblick des Triumphes war gekommen, bald würde die Welt ihm gehören.
Puckle hingegen, der wusste, dass diese letzte Tat sein Schicksal besiegeln würde, war ganz ruhig. »Keine Sorge«, murmelte Grockleton, um ihm Zuversicht einzuflößen. »Für Sie wird genug abfallen.« Nichts davon war wahr.
Nach einer Weile hörten sie das Schlagen von Rudern, und etwa zweihundert Meter draußen auf dem Wasser zeichneten sich die Umrisse dreier großer Lugger ab, die sich Pitts Deep näherten.
In geduckter Haltung eilte Grockleton die Klippen entlang. Er wollte sicherstellen, dass die Franzosen nicht zu früh losschlugen. Alles musste genau nach Plan verlaufen. Inzwischen sprangen die ersten Männer aus den drei Luggern heraus auf den Strand. Kurz darauf begannen sie mit dem Löschen der Ladung.
Selbst von seinem Beobachtungsposten aus erkannte Puckle, dass die Lieferung ungewöhnlich groß war. Truhen, Kisten, Ballen aus Ölhaut – genau konnte er es nicht sehen. Die hintereinander aufgestellten Waren bildeten eine etwa fünfzig Meter lange Kette. Noch nie war eine derart gewaltige Lieferung in Pitts Deep eingetroffen. Die Seeleute arbeiteten wirklich außergewöhnlich schnell. Im schwachen Schein der Sterne beobachtete Puckle, dass eine der Lugger schon wieder ablegte und auf ihn zukam. Auch das zweite Boot setzte sich in Bewegung. Puckle seufzte. Es war Zeit zum Aufbruch.
Grockleton wartete geduldig. Eine Stunde verstrich. Puckle hatte ihm erzählt, dass die Freihändler sich meist Zeit ließen und sich zuerst vergewisserten, dass die Luft rein war. Die Waren am Strand sahen so verführerisch aus, dass er sie am liebsten sofort genauer in Augenschein genommen hätte.
Puckle hatte Befehl, auf seinem Posten zu bleiben, und das hatte Grockleton ihm streng eingeschärft. Schließlich bestand noch immer die Gefahr, dass er die Schmuggler warnte. Doch in diesem Fall würde Grockleton ihn festnehmen und dafür sorgen, dass er die ganze Härte des Gesetzes zu spüren bekam. Der Zollinspektor lächelte finster. Allerdings wäre das kein Weltuntergang gewesen, denn wenn die Schmuggler flohen, konnte er die gesamte Ladung ohne Kampf beschlagnahmen.
Wieder verging eine Stunde. Grockleton lauschte angestrengt. Schließlich hielt er es nicht mehr aus. Geduckt und mit angehaltenem Atem, um nur ja kein Geräusch zu verursachen, schlich er zu der Stelle zurück, wo er Puckle verlassen hatte. Es dauerte zehn Minuten, bis er endlich oben auf dem kleinen Hügel stand.
Es war niemand da. Grockleton sah sich um. Vielleicht hatte den Mann ein menschliches Rühren überkommen. Oder er hatte sich den Freihändlern angeschlossen. Der Zollinspektor spähte in die Dunkelheit. Nichts regte sich, und kein Laut war zu hören. Er wartete fünf Minuten. Wenn die Schmuggler noch da waren, wären sie gewiss schon erschienen.
Grockleton war ein geduldiger Mann. Er verharrte eine weitere halbe Stunde. Es war totenstill. Offenbar hatte Puckle die Verbrecher gewarnt. Er stand auf und bewegte seine steif gewordenen Gliedmaßen. Dabei stieß er mit dem Fuß an einen Gegenstand. Ein blechernes Geräusch ertönte, mit dem man selbst einen Toten hätte aufwecken können: die Signallaterne. Er blickte sich um. Niemand hatte es bemerkt: Er war allein.
Grockleton kehrte zu seinen Männern zurück und verlangte eine Laterne, die er hoch in die Luft hob, um sich dann der Schmuggelware zu nähern. Es war eine unglaubliche Warenmenge – ein Vermögen lag ihm zu Füßen.
Neugierig griff er nach einem Brandyfass, um dessen Gewicht zu prüfen. Als er es aufzurichten versuchte, kippte es um. Achselzuckend nahm er das nächste, das sich mühelos heben ließ. Es war
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