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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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genau das muss sie tun. Inzwischen bin ich überzeugt, dass die Lösung des Rätsels anderswo zu finden ist.«
    Adelaide ließ sich nicht anmerken, dass sie ahnte, worauf er hinauswollte. Gilpin fuhr fort.
    Und er ging dabei sehr klug zu Werk. Zuerst kam er – wie es sich für einen anständigen Christen gehörte – auf die Pflicht zur Versöhnung zu sprechen. Dann erläuterte er, es sei verwerflich, alte Fehden nicht ruhen zu lassen. »Die Sünden der Väter, Miss Albion, dürfen wir nicht den Söhnen anlasten.« Danach betonte er, dass alles andere hinter das Ziel, Fanny frei zu bekommen, zurücktreten müsse. »Ich glaube«, sagte er in eindringlichem Ton, »dass Sie ganz genau wissen, was ich meine.«
    »Ich habe nicht die leiseste Ahnung«, widersprach die alte Adelaide trotzig.
    »Erlauben Sie, Madam«, war da plötzlich eine ruhige, aber nachdrückliche Stimme von der Tür her zu vernehmen, »doch meiner Ansicht nach wissen Sie es sehr wohl.«
    Mit diesen Worten trat Mr. Martell ins Zimmer und verbeugte sich höflich. Obwohl Gilpin den jungen Mann angewiesen hatte, draußen in der Kutsche zu warten, hatte er sich ins Haus geschlichen und lauschte schon seit einer Weile.
    Adelaide erbleichte. Sie blickte zwischen Martell und Gilpin hin und her und fragte dann in scharfem Ton: »Haben Sie diesen Schurken mitgebracht?«
    »Ja«, gestand der Vikar, »allerdings bin ich überzeugt davon, dass er kein Schurke ist. Ganz im Gegenteil.«
    »Bitte gehen Sie, Mr. Gilpin, und nehmen Sie diesen Schurken mit.«
    Sie wiederholte das Wort absichtlich. Dann blickte sie in die Ferne. »Ich muss feststellen, Sir, dass heutzutage sogar Geistliche das Vertrauen ihrer Freunde missbrauchen. Aber meine Familie weiß, wie man mit Schurken, Mördern und Verführern fertig wird, selbst wenn es heute das erste Mal ist, dass uns ein solches Subjekt von einem Mann der Kirche ins Haus geschleppt wird.«
    »Meine liebe Miss Albion.«
    »Ich schlage vor, Mr. Gilpin, dass Sie sich in Zukunft von diesem Haus fern halten. Außerdem werden Sie meine Nichte in Bath nicht aufsuchen. Guten Tag.«
    Selbst Gilpin fehlten die Worte. Doch Wyndham Martell ließ sich nicht so schnell abfertigen. »Madam«, begann er höflich, »Sie können die Familie meiner Mutter beschimpfen, wie es Ihnen beliebt. Falls das, was Sie ihr vorwerfen, der Wahrheit entspricht, muss ich mich dafür entschuldigen. Wenn es in meiner Macht läge« – er hob die Hand –, »würde ich mir diese Hand abhacken, um mich von dem Erbe der Penruddocks zu befreien. Und ich würde es gern tun, um Ihre Nichte zu retten.«
    Schweigend starrte er sie an. Vielleicht hatte es ja doch etwas genutzt.
    »Ich habe festgestellt, dass ich einem meiner Vorfahren ähnle, von dem ich bis jetzt kaum etwas wusste. Dann erfuhr ich, dass die Familie der jungen Frau, an die ich bereits mein Herz verloren hatte und die mir ohne Erklärung den Laufpass gab, diesen Mann hasst und verabscheut. Dennoch wird jede Generation neu geboren, so sehr wir unsere Eltern und Vorfahren auch ehren mögen. Selbst im Wald wachsen immer wieder neue Eichen. Ich versichere Ihnen, dass ich nicht Oberst Penruddock bin und auch nicht sein möchte wie er. Ich bin Wyndham Martell. Und Fanny ist nicht Alice Lisle.«
    »Hinaus!«
    »Madam, ich halte es für möglich, dass ich Miss Albion dazu bringen könnte, sich selbst zu verteidigen. Ganz gleich, wie Sie über mich denken mögen – wollen Sie mir nicht einmal erlauben, einen Versuch zu unternehmen?«
    Zufällig warf Gilpin in diesem Moment einen Blick auf Mrs. Pride, und er merkte ihr deutlich an, dass sie angesichts dessen, was sie von Fanny wusste, auch an diese Lösung glaubte. »Ich flehe Sie an. Sie müssen jetzt vor allem daran denken, Fanny zu retten«, wandte der Vikar ein.
    »Ein Penruddock soll eine Albion retten? Niemals.«
    »Gütiger Himmel, Madam!« Allmählich riss Martell der Geduldsfaden. »Soll Ihre Nichte denn im Gefängnis verrotten?«
    »Hinaus.«
    Er achtete nicht darauf. »Lieben Sie sie, Madam? Oder gilt sie Ihnen nur etwas als Priesterin des Familientempels?«
    »Hinaus.«
    »Ich sage Ihnen, Madam, dass ich Miss Albion um ihrer selbst willen liebe. Offen gestanden ist es mir völlig gleichgültig, ob sie eine Albion, eine Gilpin oder« – er blickte der hoch gewachsenen, würdevollen Frau in die Augen, die dieselben Ziele verfolgte wie er und die aufmerksam jedem seiner Worte lauschte – »eine Pride ist. Ich liebe sie, Madam. Als Mensch. Und ich

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