Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
Vom Netzwerk:
ich sicher, dass der eine nicht weit sein konnte, wenn wir den anderen fanden. Und bald entdeckten wir den kleinen Seagull, der in der Nähe der Gleise herumtollte.
    ›Ist Jack bei dir?‹, fragte meine Frau. Er nickte und wies den Damm hinunter. Und so dachten wir, alles wäre in Ordnung.
    Dann kam Mrs. Furzey zu uns, die wir sehr gern hatten, und wir plauderten lange miteinander. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, dass Furzey in einigen Metern Entfernung am Damm entlangging. Wahrscheinlich wollte er etwas inspizieren. Doch ich kümmerte mich nicht weiter um ihn.
    Und dann sah ich ihn rennen. Ich habe im Leben ja schon viel gesehen, aber noch nie, dass ein Mann so schnell rannte. Er hätte bestimmt auch einen Hirsch überholen können. Ich habe keine Ahnung, woher er wusste, was gleich geschehen würde, jedenfalls stürmte er auf die Stelle zu, wo Alfie Seagull spielte. Und als er gerade dort angekommen war, hörten wir das Geräusch.
    Man möchte glauben, dass es wie ein Rattern oder ein Dröhnen klang, wenn so viel Erde und Steine sich in Bewegung setzten. Und bei manchen Erdrutschen ist das sicher auch so. Doch als der Bahndamm einbrach, gab es nur eine Art Zischen.
    Ohne stehen zu bleiben, stürzte Furzey den Bahndamm hinunter. Offenbar ist er mit dem Erdrutsch mitgelaufen. Und irgendwo unten schnappte er sich unseren Jack und rannte mit ihm weiter. Wahrscheinlich ist er schon nach wenigen Metern durch das Gewicht von Kies und Ton umgerissen worden. Dann hielt er Jack hoch in die Luft und warf ihn nach oben, während er selbst das Gleichgewicht verlor.
    Als wir die Stelle kurz darauf erreichten, hatte Jack zwar einige blutende Schrammen abgekriegt, war aber eindeutig außer Gefahr. Fast hätte der Erdrutsch ihn unter sich begraben.
    Wir konnten Furzeys Hände sehen. Aber wir mussten ihn vorsichtig ausgraben, denn wir bemerkten bald, dass seine beiden Beine zerschmettert waren. Er muss sie sich verdreht haben, als er Jack hochwarf.
    Und so wurde deinem Jack das Leben gerettet, und er kam in die Zeitung. Auch Mr. Furzey wurde lobend erwähnt, ich muss zugeben, dass er das auch verdient hat.
    Nach diesem Unfall konnte er nie wieder richtig gehen, was ich sehr bedauere. Meistens saß er im Rollstuhl. Doch er war damit erstaunlich beweglich. Ab und zu besuchte ihn meine Frau und brachte ihm einen selbst gebackenen Kuchen. Offenbar fand sie, dass er seine Schuld abgebüßt hatte.«
    »Mir ist es immer seltsam vorgekommen«, erzählte George Pride am nächsten Tag, »dass Jack nichts auf der Welt so sehr liebte, wie zu den Gleisen hinunterzugehen, obwohl es ihn einmal fast umgebracht hätte.« Selbst jetzt nach so vielen Jahren schienen die Falten in seinem Gesicht tiefer zu werden, und seine alten Hände umklammerten die Stuhllehnen.
    »Über die Gleise im Forest gab es viele kleine Brücken für das Vieh, und Jack hatte seinem Pony beigebracht, keine Angst zu haben, wenn die Lokomotiven darunter durchfuhren. Ständig trieb er sich bei diesen Brücken herum.
    Ein Zwischenfall hätte uns vielleicht eine Warnung sein sollen.
    Die Waldbehörde hatte ihre Schlappe gegen die Bauern nie verwunden. Und Mr. Lascelles ließ sich, obwohl er dabei sehr höflich war, keine Gelegenheit entgehen, den Forstaufsehern eins auszuwischen. Und wie du dir sicher denken kannst, zahlten die es ihm mit gleicher Münze heim. Ständig mussten wir darauf achten, dass niemand unerlaubt Bäume pflanzte – was häufig geschah – oder sonst etwas am Wald veränderte. Heutzutage heißt die Waldbehörde Amt für Forstwirtschaft, aber es ist immer noch dasselbe und wird vermutlich immer so bleiben.
    Eines Morgens sattelte ich die Pferde, um mit Jack auszureiten, als Gilbert angaloppiert kam. ›Du musst mich unbedingt begleiten‹, sagte er. Also machten wir uns auf den Weg zu einer hübschen Wiese neben den Gleisen, wo die Ponys gerne grasten.
    Normalerweise schafft man das Holz nach dem Fällen zu einer Sägemühle, die sich an einem geeigneten Standort befindet. Denn das Sägemehl und die Späne verschmutzen alles und verderben das Gras. Doch nun stand da neben der Wiese eine grässliche, von einer Dampfmaschine angetriebene Säge, die Rauch ausspuckte und überall auf der Wiese Sägemehl verteilte. ›Wer hat Ihnen das erlaubt?‹, fragten wir. ›Mr. Lascelles‹, antwortete der Vorarbeiter.
    Wir waren außer uns vor Wut. Doch der kleine Jack hatte sich an die Maschine herangepirscht und untersuchte, wie sie funktionierte. Später fanden wir

Weitere Kostenlose Bücher