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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Lyndhurst war, aber ich war noch nie dort gewesen. Die Familie Hargreaves hatte das Haus schon vor Jahren gekauft, und der junge Mr. Hargreaves hatte kürzlich eine Miss Alice Liddell geheiratet. Bestimmt hast du sie schon einmal gesehen, und sicher weißt du, dass sie die Alice aus Alice im Wunderland war.
    ›Sie sind sehr gute Freunde von uns‹, fuhr Mrs. Albion fort.
›Und sie suchen eine Zofe für die junge Mrs. Hargreaves. Offen gestanden‹ – sie lächelte – ›brauchen sie gewiss auch bald ein Kindermädchen. Ich habe vor zwei Tagen lange mit ihnen gesprochen und mir überlegt, ob Dorothy vielleicht Interesse hätte. Es ist wirklich eine gute Stelle, und ich würde Ihre Tochter natürlich gerne empfehlen. Möchten Sie sie fragen?‹
    Gewiss kannst du dir denken, wie froh ich war, als ich nach Hause ritt. Es war ein ausgezeichnetes Angebot. Und Dorothy würde ein neues Leben anfangen können.
    Als ich heimkam, zogen alle lange Gesichter, aber ich sagte, dass ich eine Nachricht hätte, die sie bestimmt aufmuntern würde.
    ›Das glaube ich nicht‹, erwiderte meine Frau. Und dann sagte sie: ›Dorothy ist verschwunden.‹
    Das Kind hatte sie zurückgelassen. Wahrscheinlich blieb ihr nichts anderes übrig. Und sie war fort. Wir wussten nicht einmal, wohin. Erst nach einem Monat erhielten wir einen Brief aus London. Ohne Adresse. Sie schrieb nur, es täte ihr Leid, aber sie würde nicht mehr zurückkommen.
    Wir waren machtlos. Der Oberst beauftragte sogar einen Mann damit, sie zu suchen. Aber vergeblich. Wir haben Dorothy nie wieder gesehen.«
    George Pride betrachtete seine Hände und blickte dann aus dem Fenster. »Ich glaube, heute kann ich nicht mehr weitererzählen«, sagte er.
     
     
    »Dein Jack war noch ein Dreikäsehoch, als er in die Zeitung kam«, begann George am nächsten Tag. Er ging zur Kommode hinüber, holte einen alten braunen Umschlag voller Papiere heraus und entfaltete langsam einen vergilbten Zeitungsausschnitt. »Er hat sogar Schlagzeilen gemacht.
    Aber dieses Jahr werde ich sowieso nie vergessen. Wir hatten einen sehr kalten Winter, und Dorothys Baby starb. Natürlich waren wir traurig, doch mit so etwas muss man eben rechnen. Selbst hier im New Forest, wo wir ein gesundes Leben führten, überstand kaum die Hälfte der Babys das erste Jahr. Nur die stärksten kamen durch. In diesem Jahr erhielt Lord Henry den Titel Lord Montagu von Beaulieu. Und weil er so viel für den New Forest geleistet hatte, waren die Bauern sehr froh darüber.
    Wahrscheinlich änderten sich die Zeiten, denn inzwischen zogen immer mehr einfache Leute an die Küste, um ihren Ruhestand dort zu verbringen. Von Hordle bis nach Christchurch schossen kleine Backsteinhäuser – Reihenhäuser meistens – wie die Pilze aus dem Boden. Aber am meisten wurde weiter im Westen hinter Christchurch gebaut.
    In meiner Jugend war Bournemouth ein Fischerdorf, ein paar Kilometer westlich von Christchurch. Ringsherum gab es nur unbewohnte Heide. Aber es verwandelte sich in eine kleine Stadt, und als die folgenden Ereignisse stattfanden, standen an der Küste bereits Häuser, Hotels und Pensionen.
    Die alte Bahnlinie – Castlemans Korkenzieher – verlief von Brockenhurst nach Ringwood, viele Kilometer im Landesinnern. Nun forderte man eine Strecke an der Küste nach Christchurch und nach Bournemouth. Eine gute Idee, möchte man meinen. Mr. Grockleton hatte eine neue Mission. Er gehörte nämlich zu den Direktoren dieser neuen Eisenbahngesellschaft.
    Eine Menge junger Männer aus dem Forest fand Arbeit dort. Sie wurde ziemlich gut bezahlt. Allerdings war ich nicht begeistert, als Gilbert auch dabei sein wollte. Schließlich hatte ich ihn doch zum Viehinspektor ausgebildet.
    Das Problem war, dass es im Forest damals keine Stellen gab, und er wollte unbedingt Geld verdienen.
    ›Nur für ein oder zwei Jahre‹, meinte er zu mir. ›Dann ist die Eisenbahnlinie sowieso fertig.‹
    Kurz nachdem Gilbert seine Stelle angetreten hatte, bekam ich Besuch von Mr. Minimus Furzey. Wie du dir sicher denken kannst, ließ er sich nicht oft bei uns blicken.
    ›Verbieten Sie Ihrem Sohn, bei Grockleton zu arbeiten‹, sagte er mir. ›Es ist gefährlich. Sie müssen verrückt sein, dort eine Eisenbahn bauen zu wollen. Man braucht sich nur die geologischen Verhältnisse anzuschauen.‹
    Nun, ich hatte keine große Lust auf Mr. Furzeys Ratschläge, nicht nach dem, was er uns angetan hatte. Also erwiderte ich:
›Offenbar sind Sie schlauer als die

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