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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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heraus, dass er am nächsten Tag und noch viele Wochen lang wiederkam.
    Die Forstaufseher und Mr. Lascelles gingen wegen dieser Sägemaschine vor Gericht. Der Prozess zog sich jahrelang hin, nicht weil die Sägemaschine so wichtig gewesen wäre, sondern um zu zeigen, wer im New Forest das Sagen hatte. Letztendlich lief es auf ein Patt hinaus. Aber den kleinen Jack kümmerte das nicht.« Noch nie hatte Sally den alten Mann so verbittert gesehen.
    »So oft ich es ihm auch verbat, er schlich sich immer wieder davon, um mit dieser Höllenmaschine zu spielen. Und wenn ich Lascelles begegnete, nickte er mir nur zu und meinte: ›Wenigstens Ihr Sohn weiß unsere Arbeit zu schätzen, Pride.‹
    Alles Technische faszinierte ihn. Damals wurden im New Forest sogar Manöver abgehalten, denn für das Militär war er nur eine ungewohnte Einöde. Wir mussten dann hinter ihnen aufräumen. Vieh wurde dabei getötet. Aber Jack verschwendete keinen Gedanken daran. Er lief fort, ließ sich erklären, wie die Gewehre funktionierten, und manchmal erlaubten ihm die Soldaten auch, damit zu schießen.
    So sehr ich ihn auch liebte, ich muss zugeben, dass ich ihn nicht mehr bändigen konnte, als er achtzehn wurde. Es schien unvermeidlich, dass unsere Wege sich irgendwann trennten.
    Wir waren mit unseren Pferden in der Gegend von Lyndhurst unterwegs. Gerade waren wir an der alten Palisade vorbeigekommen, wo früher die Hirsche zusammengetrieben wurden, als sich plötzlich auf der Straße von Beaulieu ein ausgesprochen seltsames Fahrzeug näherte. Es war ein kleiner Wagen aus Eisen, der entsetzlich laut ratterte und hinten Rauch ausstieß. Natürlich hatte ich schon von den Automobilen gehört, gelesen und auch schon Abbildungen gesehen. Doch nun erlebten wir zum ersten Mal eines hier im New Forest. Es war eine sehr unangenehme Erfahrung.
    Der ehrenwerte John Montagu, Lord Montagus Sohn, saß am Steuer dieser Höllenmaschine. Ich bedauerte es sehr, dass sein Vater ihm das gestattete. Bestimmt muss ich nicht eigens betonen, dass Jack begeistert war.
    ›Das ist die Zukunft, Vater, die Zukunft!‹, jubelte er.
    Und dieses Gerede über die Zukunft brachte mich dazu, ihn auf dem Heimweg zu fragen, was er denn einmal werden wolle.«
    George stand mühsam auf, ging zum Fenster und betrachtete eine Weile die Stangen, an denen sich seine liebste Bohnensorte emporrankte. Dann schüttelte er ein wenig verärgert den Kopf und drehte sich um.
    »Dazu musst du verstehen, Sally, dass um die Jahrhundertwende im New Forest recht erfolgreich gewirtschaftet wurde. Viele Landbesitzer und Bauern in England hatten schwere Verluste erlitten oder sogar Bankrott gemacht, und zwar wegen der billigen Getreideimporte aus Amerika. Doch nach Milchprodukten bestand nach wie vor große Nachfrage. Deshalb konnten die Kleinbauern im New Forest nicht klagen. Außerdem erzielten die Ponys gute Preise. Einige wurden als Grubenponys an die Kohlenbergwerke verkauft, denn sie waren sehr kräftig. Andere wanderten in die flandrischen Pferdemetzgereien, was vielleicht traurig ist.
    Inzwischen war ich seit vielen Jahren Viehinspektor und hatte ein wenig gespart. Aus diesem Grund hielt ich es für eine gute Idee, Jack einen kleinen Bauernhof zu kaufen, denn das konnte ich mir jetzt leisten. Ich erklärte ihm meinen Vorschlag.
    ›Danke, aber lieber nicht‹, erwiderte er nur.
    ›Darf ich dich fragen, was für Pläne du hast?‹
    ›Ich möchte Lokführer werden‹, antwortete er.
    Wie du dir sicher vorstellen kannst, war ich nicht gerade begeistert. ›Nun‹, sagte ich, ›dann kannst du dir ja ein Haus in der Nähe von Brockenhurst suchen.‹ Denn von dort aus war es ja nicht weit zum Bahnhof. Aber er schüttelte den Kopf.
    ›Ich verlasse den New Forest‹, entgegnete er.
    ›Du willst fortgehen? Wohin denn?‹
    ›Vielleicht nach Southampton. Oder nach London.‹ Er lächelte mich mitleidig an, was mir gar nicht passte. ›Ich habe keine Lust, für den Rest meines Lebens auf Kuhhirten zu starren. Das ist mir zu langweilig.‹
    Diese Bemerkung konnte ich nicht unwidersprochen lassen, und schon entbrannte ein heftiger Streit zwischen uns. Ich warf ihm ein paar Dinge an den Kopf, an die ich heute gar nicht denken mag. Doch eine seiner Antworten wird mir wohl immer im Gedächtnis haften bleiben. ›Über kurz oder lang, Vater, werden sogar diese Pferde überflüssig sein.‹
    Ich hielt ihn für völlig übergeschnappt.«
    George Pride ließ sich auf seinen Stuhl fallen und schloss die

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