Der Wald der Könige
professionelle Weise darauf vorbereitet, große Mengen von Besuchern zu empfangen. Doch nicht nur große Firmen waren daran beteiligt. Als Dottie durch das finstere kleine Dorf Burley kam, bemerkte sie, dass die Einwohner noch immer von dem Ruf profitierten, hier werde Hexerei betrieben. Sie stieß auf mindestens drei Läden, die verschiedene Andenken verkauften. Tourismus und Erholung: Sollte das die Zukunft des alten königlichen Jagdgebietes sein?
Es war ein sonniger Montagmorgen, und Dottie war ziemlich aufgeregt, als sie um die steile Kurve von Lyndhursts Hauptstraße bog. Links von ihr ragte der hohe viktorianische Kirchturm in den hellblauen Frühlingshimmel.
Bei ihrem Anruf im New Forest Museum hatte man ihr mitgeteilt, sie könne nicht nur der Gerichtssitzung an diesem Vormittag beiwohnen, man habe sogar einen Begleiter für sie abgestellt. »Keine Sorge«, hatte die Stimme am Telefon lachend gesagt, »er wird Sie schon erkennen.«
Als sie das Ende der Straße erreichte, wurde ihr klar, warum. Das Queen’s Haus, alte königliche Residenz und Wohnsitz des Oberaufsehers, war ein stattliches Gebäude aus rotem Backstein. Vor einer Seitentür hatten sich bereits etwa zwanzig Wartende versammelt. Ihrem angeregten Geplauder nach zu urteilen, kannten sie einander gut. Also war sie die einzige Fremde.
»Sind Sie Dottie Pride?«, fragte jemand hinter ihr.
»Ja.« Sie drehte sich um. Eine Hand wurde ihr entgegengestreckt. Ein Nicken. Ein Lächeln. Hatte der Mann seinen Namen genannt? Wenn ja, hatte sie ihn nicht verstanden.
Sie wusste nur, dass vor ihr der attraktivste Mann stand, dem sie je begegnet war. Er war hoch gewachsen und schlank und von keltischem Aussehen. Vielleicht war er ja Ire. Dunkle Locken fielen ihm bis auf die Schultern hinab. Sein blasses, feinfühliges Gesicht erinnerte sie an die Bilder metaphysischer Dichter aus dem siebzehnten Jahrhundert. Seine braunen Augen waren wunderschön und wirkten klug. Er trug eine braune Lederjacke.
»Wir können jetzt rein«, meinte er freundlich. »Die Tür wird geöffnet.«
Ein großer, rechteckiger Raum bildete die Halle der Forstaufseher. Eine Bühne, die dem Podium eines Magistrats ähnelte, nahm eine Seite des Saals ein. An der kahlen Wand dahinter hing das königliche Wappen. Die anderen Wände wurden von Hirschköpfen, Geweihen und Glasvitrinen geschmückt. Die alte Drahtschlinge, durch die die Hunde hatten kriechen müssen, damit der Besitzer die Genehmigung zu ihrer Haltung bekam, hatte einen Ehrenplatz. Auf dem Boden standen Holzbänke. Vorne im Raum befanden sich ein Tisch und ein Zeugenstand. Alte Holzbalken stützten die Decke. Ein wenig verdattert suchte sich Dottie einen Platz hinten im Raum und versuchte, ihren Begleiter nicht anzustarren.
»Das Gericht der Forstaufseher tritt am dritten Montag des Monats zusammen, und zwar zehn Monate im Jahr«, flüsterte er ihr zu. »Der Oberste Forstaufseher wird ernannt, die anderen werden gewählt. Wer kandidieren will, muss über Gewohnheitsrechte verfügen.«
»Ist das noch das Gericht, das 1877 den mittelalterlichen Gerichtshof abgelöst hat?« Sie hatte ihre Hausaufgaben gemacht und fragte sich, ob sie ihn damit beeindruckt hatte.
»Mehr oder weniger ja, abgesehen von einigen kleinen Veränderungen. Da kommen sie.« Die Forstaufseher betraten den Raum. Ihr Begleiter gab ihr eine Kurzbeschreibung jedes einzelnen. Zwei hatten Bücher über den New Forest verfasst. Der Vorsitzende war ein bekannter Grundbesitzer. Die meisten stammten aus Familien, die schon seit Jahrhunderten im New Forest ansässig waren. An diesem Morgen saßen acht von ihnen auf dem Podium. Vor ihnen standen die beiden Viehinspektoren in ihren grünen Uniformen. Der oberste Viehinspektor, der seinen Platz neben dem Zeugenstand hatte, rief nun: »Hört, hört, hört! Wer ein Anliegen an das Gericht der Forstaufseher hat oder ihm etwas mitteilen will, möge bitte vortreten, damit er gehört werde.« Dottie fühlte sich wie ins Mittelalter zurückversetzt.
Ein kurzer Bericht wurde verlesen. Darauf folgte die Liste der Ponys, die von einem Auto überfahren worden waren, stets ein trauriger Punkt bei jeder Sitzung. Als die Sitzung eröffnet wurde, strömten einige Leute nach vorn, um ihre Anträge zu stellen. Jedes Mal flüsterte ihr Begleiter ihr eine Erklärung ins Ohr. Ein blonder, mondgesichtiger Mann beschwerte sich über den Müll eines nahe gelegenen Campingplatzes. »Das ist Reg Furzey, Bauer.« Ein anderer Mann mit
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