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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Diebstahl.«
    Schlagartig trat Stille ein. Der Gerichtsdiener, der vor Schreck fast von seiner Bank gefallen wäre, griff nach dem Federkiel.
    Auch der Richter war ein wenig verdattert und sah Tom argwöhnisch an. »Diebstahl? Was ist denn gestohlen worden?«
    »Mein Pony!«, schrie Tom, als wolle er die himmlischen Heerscharen herbeirufen, damit sie seine Aussage bestätigen.
    Nach einer Weile begannen die Zuschauer zu kichern. Der Richter runzelte die Stirn. »Dein Pony? Wo hat man es dir denn gestohlen?«
    »Im New Forest«, erwiderte Tom.
    Nun wurde lauthals gelacht. Selbst die Förster konnten sich ein Grinsen nicht verkneifen. Der Richter sah den königlichen Beauftragten an, der schmunzelnd den Kopf schüttelte.
    Der Richter mochte den New Forest und seine Bauern und amüsierte sich insgeheim über ihre kleinen Regelverstöße. Da er sich ziemlich über Martell geärgert hatte, hatte er nichts dagegen, den Tag mit einer lustigen Anekdote zu beenden. »Soll das heißen, man hat dir dein Pony im New Forest entwendet? Trug es ein Zeichen?«
    »Nein, es wurde dort geboren.«
    »Also ein Fohlen? Woher weißt du, dass es deines ist?«
    »Ich weiß es eben.«
    »Und wo ist das Fohlen jetzt?«
    »In John Prides Kuhstall!«, rief Tom zornig und verzweifelt aus. »Da steht es.«
    Das war zu viel. Der ganze Gerichtssaal bog sich vor Lachen. Selbst Tom Furzeys Verwandte fanden diese Antwort unglaublich komisch. Mary senkte den Blick zu Boden. Der Richter bat die Viehinspektoren um eine Erklärung, und Alban, in dessen Bezirk sich der Vorfall abgespielt hatte, trat näher und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Tom wartete mit finsterer Miene ab.
    »Und wo ist John Pride?«, fragte der Richter.
    »Hier im Saal«, verkündete Tom, wirbelte herum und wies triumphierend in die Menge.
    Alle drehten sich um. Für einen Moment schwiegen alle.
    Und dann erklang neben der Tür eine tiefe Stimme: »Er ist fort.«
    Nun war es mit der Zurückhaltung der Zuschauer endgültig vorbei. Die Waldbewohner hielten sich die Bäuche und lachten, bis ihnen die Tränen kamen. Die Förster, die würdevollen Forstaufseher und selbst die ehrenwerten Geschworenen konnten nicht mehr an sich halten. Kopfschüttelnd betrachtete der Richter den Tumult und biss sich auf die Lippe.
    »Da könnt ihr so viel lachen, wie ihr wollt!«, rief Tom. Doch diese Aufforderung war überflüssig. Er sah sich in alle Richtungen um, wandte sich dann mit hochrotem Gesicht an den Richter und zeigte mit dem Finger auf Alban. »Er und seinesgleichen lassen Pride ungeschoren davonkommen. Und wisst Ihr, warum? Weil er sie bezahlt!«
    Die Miene des Richters verfinsterte sich. Einige Förster hörten auf zu lachen. Mary stöhnte leise auf.
    »Ruhe!«, polterte der Richter, und das allgemeine Gelächter erstarb. »Willst du unverschämt werden?«, fuhr er Furzey dann an.
    Leider enthielt Toms Behauptung ein Körnchen Wahrheit, auch wenn der junge Alban vermutlich unschuldig war. Die Bezirksförster erhielten von den Bewohnern des New Forest hin und wieder Geschenke. Eine wohlschmeckende Pastete, ein Käse, ein kostenlos geflickter Zaun – Zuwendungen, nach denen der königliche Beauftragte für den New Forest in vielen Fällen ein Auge zudrückte. Der König selbst hatte einmal, und zwar nicht im Scherz, dem obersten Forstaufseher gegenüber bemerkt, er werde wohl eines Tages einen Ausschuss einsetzen müssen, der die gesamte Verwaltung des New Forest unter die Lupe nehme. Und offenbar war Furzey ein Querulant, der gefährlich werden konnte.
    »Du musst dich an das vorgeschriebene Verfahren halten«, teilte der Richter ihm barsch mit. »Dein Fall wird gehört werden, nachdem er dem Strafgericht vorgelegt wurde. Gerichtsdiener«, befahl er, »vermerkt das in den Akten. Die Sitzung ist geschlossen.«
    Während Tom, zitternd vor ohnmächtiger Wut, an Ort und Stelle verharrte, steuerten die immer noch kichernden Zuschauer auf den Ausgang zu.
    Der Gerichtsdiener tauchte seinen Federkiel ins Tintenfass und schrieb die Worte auf das Stück Pergament, das als wahre Stimme des Forest noch viele Jahrhunderte lang aufbewahrt werden sollte:
    Thomas Furzey bezichtigt John Pride des Diebstahls eines Ponys. John Pride nicht erschienen. Deshalb Verhandlung verschoben auf nächste Sitzung.
     
    Luke spazierte gerne oft viele Kilometer weit durch den New Forest. Als Kind hatte er gelernt, schnell zu laufen, um mit John und Mary mithalten zu können. Inzwischen hätten sich die meisten Menschen sehr

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