Der Wald der Könige
wo es eine große Ladung Salzheringe für die Abtei abholte. Wenn die Salvata an die kleine Anlegestelle unterhalb der Abtei zurückkehrte, war die Aufregung immer groß.
Bei Bruder Adams Ankunft hatten sich bereits die meisten Bewohner der Abtei versammelt – mehr als fünfzig Mönche und etwa vierzig Laienbrüder. Der Prior, der derartige Anlässe liebte, rief überflüssige Befehle: »Vorsicht! Passt mit der Halteleine auf!«
Adam beobachtete die Szene lächelnd. Er musste zugeben, dass sich selbst die frömmsten Mönche zuweilen wie kleine Kinder gebärdeten.
Die Ladung bestand aus gesalzenen Heringen. Sobald die Fallreepstreppe heruntergelassen war, stürmten die frommen Mönche an Bord, um die Fässer an Land zu rollen.
»Zwei Männer je Fass!«, rief der Prior. »Bringt sie zum Lagerhaus.«
Zwanzig Fässer waren bereits auf dem Weg dorthin. Die Mönche scherzten, und es herrschte eine ausgelassene Stimmung. Bruder Adam wollte gerade den Rückweg zum Kloster antreten, als er bemerkte, dass der Kapitän des Schiffes mit dem Prior sprach. Der Mann deutete stromaufwärts. John von Grockleton zuckte heftig zusammen.
Und dann begann er zu toben.
Wenn Grockleton eines auf der Welt hasste, dann waren es Eingriffe in die weltlichen Rechte der Abtei, deren Verteidigung er sein bisheriges Leben geweiht hatte. Und zu diesen vielen Privilegien gehörten die Fischereirechte am Fluss von Beaulieu. »Verbrecher!«, brüllte er. »Gotteslästerung!« Die Mönche mit den Fässern hielten inne und wandten sich um. »Bruder Mark!«, rief der Prior. »Bruder Benedict…« Er wies auf einige andere Mönche. »Holt das Ruderboot und begleitet mich.«
Man hatte ein paar Männer beim Fischen beobachtet, die ein Stück flussabwärts ihre Netze ausgeworfen hatten. Bei einem von ihnen handelte es sich um einen Kaufmann aus Southampton. Die Bürgerschaft dort war felsenfest davon überzeugt, dass auch sie über die Fischereirechte an diesem Fluss verfügte, und zwar über ältere als die Abtei. Grockleton hingegen glaubte, dass Gott ihn dazu auserkoren hatte, ihnen das Gegenteil zu beweisen.
Schon kurz darauf fuhr ein Ruderboot, besetzt mit drei Mönchen, in Windeseile den Fluss hinab, während zwei weitere Gruppen, jeweils ein Dutzend Mönche und Laienbrüder, das Ufer entlangliefen. Grockleton stürmte das Westufer entlang, den Stab in der Hand und mit vorgebeugtem Rücken wie ein angreifender Gänserich. Bruder Adam hatte sich seinem Trupp unaufgefordert angeschlossen.
Sie kamen bemerkenswert schnell voran. Zwei der Laienbrüder waren als Vorhut losgeschickt worden, um das Flussufer zu erkunden. Mehr als anderthalb Kilometer lang führte der Weg durch Eichenwälder, bis er an einer von Sumpfwiesen umgebenen Krümmung des Flusses endete. Im nächsten Moment hörten sie einen Aufschrei vom Ruderboot, und gleich darauf erblickten sie den Feind hinter der Flussbiegung.
Es war ein großer klinkergebauter Einmaster. Die Männer aus Southampton hatten kein Segel gesetzt, vermutlich beabsichtigten sie, die Küste entlang in ihre Heimatstadt zurückzurudern. Sie hatten die Netze noch ausgeworfen, und drei von ihnen waren sogar so frech gewesen, am Ufer ein kleines Feuer anzuzünden, um eine Mahlzeit zuzubereiten. An der teuren Kleidung glaubte Bruder Adam unter ihnen einen angesehenen Kaufmann zu erkennen. Diese Annahme bestätigte sich, als der Prior wütend einen Namen förmlich ausspie: »Henry Totton«. Er war Inhaber des Lagerhauses am Nachbarkai der Abtei.
»Wilderer!«, dröhnte Grockletons Stimme über den Sumpf. »Verbrechergesindel. Verschwindet!«
Am Bug stand ein seltsam aussehender Mann. Er trug das schwarze Haar im Nacken zusammengefasst, doch auch der struppige Bart konnte den Umstand nicht verbergen, dass sein Gesicht unterhalb des Mundes direkt in den Hals überging.
Aber seine fröhliche Miene verriet, dass ihm dieser Mangel nicht zu schaffen machte. Nun drehte sich der Mann langsam und ohne böse Absicht um – offenbar war diese Geste als Gruß gemeint –, sah den Prior unverwandt an, hob den Arm und streckte einen Finger in die Luft.
Aber für Grockleton hätte es genauso gut ein auf ihn gerichteter Pfeil sein können. »Gottloser Hund!«, kreischte er. »Ergreift sie«, brüllte er, schwenkte seinen Stab und deutete auf die Männer am Ufer. »Prügelt sie ordentlich durch.«
Seine Mitbrüder zögerten einen Moment. Einige sahen sich nach Knüppeln um, die sie als Waffen verwenden konnten. Die anderen
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