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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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stürmten mit geballten Fäusten auf die Männer am Lagerfeuer zu.
    Bruder Adam kam ihnen zuvor. »Haltet ein!«, donnerte er in befehlsgewohntem Ton. Er wusste, dass er die Autorität des Priors untergrub, doch er hatte keine Wahl. Rasch trat er auf Grockleton zu und murmelte: »Prior, wenn wir gewalttätig werden, können die Männer im Boot uns angreifen. Auch wenn wir das Recht auf unserer Seite haben«, fügte er bescheiden hinzu, »aber nach dem Zwischenfall auf dem Gut…«
    Es war klar, worauf er hinauswollte: Eine Rauferei würde dem guten Ruf der Abtei nur schaden.
    »Wir kennen ihre Namen«, sprach Adam weiter, »und können sie vor den Richter bringen.« Er verstummte und hielt den Atem an.
    Zu seinem Erstaunen zuckte Grockleton zusammen, als habe man ihn aus einem Traum geweckt. Er starrte Adam verständnislos an. Die Brüder beobachteten die beiden. »Bruder Adam«, verkündete der Prior dann laut. »Schreib ihre Namen auf. Wenn jemand Widerstand leistet, wird er dazu gezwungen, ihn zu nennen.«
    »Ja, Prior.« Adam neigte den Kopf und setzte sich sofort in Bewegung. Nach ein paar Schritten drehte er sich um und fragte respektvoll: »Darf ich zwei Brüder mitnehmen, Prior?«
    Grockleton nickte. Adam winkte zwei Mönche zu sich und machte sich rasch an die Arbeit.
    Er hatte getan, was er konnte, um zu verhindern, dass der Prior das Gesicht verlor. Aber zu seiner Enttäuschung bemerkte einer seiner Begleiter leise, sobald sie sich aus Grockletons Hörweite entfernt hatten: »Du hast es dem Prior aber richtig gezeigt, Bruder Adam.« In diesem Augenblick begriff er, dass Grockleton ihm seine Einmischung niemals verzeihen würde.
     
     
    Eine Woche später saßen zwei Männer an ihrem kleinen Lagerfeuer in einem abgelegenen Teil des westlichen New Forest und warteten.
    Ein paar Meter entfernt erhob sich ein großer, mit Torf bedeckter Hügel, der einige kleine Löcher aufwies, aus denen Rauchwölkchen aufstiegen. Puckle und Luke stellten Holzkohle her.
    Im Winter hatte Puckle große Mengen Zweige und Holzscheite gehackt. Das Holz des New Forest – Eiche, Esche, Buche, Birke und Stechpalme – eignete sich vorzüglich zum Brennen von Holzkohle. Wenn der Frühling kam, errichtete er seinen ersten Meiler.
    Zuerst ordnete Puckle die Holzscheite zu einem riesigen Kreis von etwa fünf Metern Durchmesser und zweieinhalb Metern Höhe an. Dann stieg er auf seine selbst gebaute, gebogene Leiter und bedeckte den Haufen mit einer Schicht aus Erde und Torf, bis das Ganze einem seltsamen mit Gras bewachsenen Backofen glich. Schließlich zündete er die Spitze an. »Kohlenmeiler brennen von oben nach unten«, erklärte er. »Jetzt brauchen wir nur noch zu warten.«
    »Wie lange?«, fragte Luke.
    »Drei oder vier Tage.«
    Am Ende des ersten Tages bemerkte Luke, dass Dampf aus den Löchern drang und dass der obere Teil des Meilers feucht war.
    »Er schwitzt«, erklärte Puckle. »Das Wasser tritt aus dem Holz.«
    Am dritten Tag stellte Luke fest, dass aus den Ablauflöchern unten am Berg eine teerähnliche Masse quoll. »Es ist so weit«, verkündete Puckle am Abend. »Jetzt müssen wir nur noch warten, bis es abkühlt.«
    »Und wie lange dauert das?«
    »Ein paar Tage.«
    Sie würden einige Male mit ihrem kleinen Wagen hin und her fahren müssen, um die fertige Holzkohle fortzuschaffen.
    Als Köhler konnte Luke unbemerkt im New Forest leben. Denn die Gegend um Burley, wo Puckle hauste, lag sehr weit von der Abtei entfernt, und die Forstbeamten in diesem Bezirk kannten Luke nicht. Da diese Arbeit nicht seine ständige Anwesenheit erforderte, war es ihm möglich, ungehindert durch den Wald zu streifen oder Mary zu beobachten, wie es ihm beliebte.
    Puckle hatte ihm bereitwillig Unterschlupf gewährt. Seine Familie war so weit verzweigt, dass inzwischen alle den Überblick über seine vielen Kinder und die Nachkommen seines verstorbenen Bruders verloren hatten. Als ein Förster sich einmal nach seinem Helfer erkundigte, antwortete Puckle nur: »Das ist ein Neffe von mir.«, worauf der Mann nickte und nicht mehr nachfragte.
    Luke ging davon aus, dass er zumindest ein paar Monate lang bei Puckle im New Forest bleiben konnte. Nur Puckles Familie war eingeweiht, aber sie war verschwiegen.
    »Je weniger Leute Bescheid wissen, desto besser«, sagte Puckle. »So bist du in Sicherheit.«
    Dennoch konnte Luke einen ängstlichen Schauder nicht unterdrücken, als Puckle an einem Mainachmittag plötzlich den Kopf hob. »Sieh mal, wer da

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