Der Wald der Könige
kommt«, meinte er und fügte leise hinzu: »Tu genau, was ich dir sage.«
Bruder Adam ritt langsam auf seinem Pony dahin. Er fühlte sich antriebslos, und er glaubte den Grund dafür zu kennen. Er murmelte ein Wort vor sich hin: acedia. Jeder Mönch wusste, was dieser Begriff, der im Englischen keine Entsprechung hatte, bedeutete: Erschlaffung, Langeweile, Niedergeschlagenheit und Lustlosigkeit; alle Gefühle schienen wie tot, und man empfand eine gähnende Leere. Hin und wieder wurde Bruder Adam von dieser matten Stimmung überkommen, nachmittags oder zu bestimmten Jahreszeiten, wie mitten im Winter, wenn es nichts zu tun gab. Zuweilen auch im Spätsommer, nachdem die Ernte eingebracht war. Natürlich musste man dagegen ankämpfen. Denn es war nur der Teufel, der versuchte, einem die Kräfte zu rauben und einen im Glauben zu schwächen. Das beste Mittel dagegen war harte Arbeit.
Und genau darin hatte Bruder Adam Trost gesucht. Die letzten Tage hatte er im Avontal verbracht. Riesige Wagenladungen Heu rollten von den gemähten Wiesen durch den New Forest. Adam hatte in Ringwood übernachtet und jede Wiese flussauf, flussab inspiziert. Er hatte sogar jede einzelne Sichel überprüft, die die Bauern benutzten. Die Arbeiten wurden von jeweils drei Laienbrüdern überwacht, auf die er wiederum ein Auge haben musste. Nicht einmal Grockleton hätte ihm vorwerfen können, dass er seine Aufgaben vernachlässigte.
Er musste sich eingestehen, dass er froh war, ein wenig Abstand von der Abtei zu haben. In den Tagen nach dem Zwischenfall am Fluss hatte angespannte Stimmung geherrscht. Jeder Mönch hatte die Pflicht, böse Gedanken aus seinem Bewusstsein zu verscheuchen und Nächstenliebe gegenüber seinen Brüdern zu zeigen. Gewiss hatte sich Grockleton aufrichtig um diese Haltung bemüht. Dennoch wirkte Adams Gegenwart auf ihn wie ein rotes Tuch. Bruder Adam gefiel es gar nicht, dass er jetzt zur Abtei zurückkehren musste. Bereits in Burley hatte ihn Niedergeschlagenheit überkommen. Ohne es zu bemerken, hatte er seinem Pony gestattet, einen falschen Weg einzuschlagen. Nun nahm er – mit einem Anflug von schlechtem Gewissen – eine Abkürzung durch den Wald zum richtigen Pfad, als er plötzlich auf die beiden Köhler stieß.
Vor einem Jahr noch wäre er vermutlich mit einem kurzen Gruß weitergeritten. Doch heute hatte er Lust, mit ihnen zu plaudern, nur um seine Rückkehr ein wenig hinauszuzögern.
Der eine Köhler stand neben dem kleinen Lagerfeuer. Der andere hatte sich ein wenig abseits hinter den qualmenden Kohlenmeiler zurückgezogen. Bruder Adam war Puckle schon einmal begegnet, als dieser im Vorjahr Spalierstangen für den Wein an die Abtei geliefert hatte. Auch der jüngere Mann erschien ihm bekannt, doch da die meisten Waldbewohner miteinander verwandt waren, verwunderte ihn das nicht weiter. Er blickte zu Puckle herunter und erkundigte sich freundlich, ob die Holzkohle wohl bald fertig sei.
»Noch ein Tag«, erwiderte der Köhler.
Adam stellte noch ein paar alltägliche Fragen, bevor er ein anderes Thema anschnitt, bei dem man bei den Waldbewohnern gewöhnlich auf reges Interesse stieß: das Umherziehen der Hirschrudel.
»Ich dachte, ich würde drüben bei Stag Brake auf ein paar Rothirsche treffen«, meinte er.
»Nein, zurzeit sind sie sicher in der Nähe von Hinchelsea.«
Adam nickte. Sein Blick wanderte zum Kohlenmeiler, wo sich der andere Mann verbarg. »Hast du nur diesen einen Gehilfen?«, wollte er wissen.
»Heute schon«, erwiderte Puckle. Und dann rief er ganz lässig: »Peter, komm her, mein Junge.« Neugierig sah Bruder Adam hin, als der junge Mann sich näherte.
Mit schüchtern gesenktem Kopf schlurfte er auf sie zu und blickte zu Boden. Sein Kiefer schien ein wenig herabzuhängen. Wirklich ein bedauernswerter Bursche, dachte Bruder Adam. Doch da er nicht unfreundlich wirken wollte, sagte er: »So, Peter, warst du schon einmal in Beaulieu?«
Der junge Mann zuckte zusammen und stammelte ein paar unverständliche Worte.
»Das ist mein Neffe«, erklärte Puckle. »Er spricht nicht viel.«
Bruder Adam betrachtete den zottigen Kopf des Burschen. »Wir heizen mit eurer Holzkohle unsere Kirche«, sagte er, um ihm die Scheu zu nehmen. Aber dann gingen ihm die Einfälle aus.
»Schon gut, mein Junge«, meinte Puckle leise und winkte den jungen Mann weg. »Offen gestanden«, vertraute er dem Mönch an, als sein vermeintlicher Neffe außer Hörweite war, »ist er ein bisschen langsam im
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