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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Pfad entlang.
    Mary musste jeden Augenblick hier sein. Die letzte Überraschung. Der endgültige Triumph. Warum beeilte sie sich nicht ein bisschen, solange noch genügend Zuschauer da waren?
    Eine von Prides kleinen Töchtern war zum Kuhstall gelaufen, um selbst nachzusehen. Nun kam sie mit erstaunter Miene zurück. Sie zupfte Pride am Wams und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Tom bemerkte, dass Pride die Stirn runzelte und selbst zum Kuhstall ging. Was für ein Spaß! Nun war Pride wieder da und blickte Tom unverwandt an. »Ich weiß nicht, was du willst, Tom Furzey«, rief er. »Das Pony steht im Stall.«
    Es war totenstill. Toms Augen weiteten sich vor Entsetzen. Pride, der sich inzwischen von seinem Schrecken erholt hatte, zuckte verächtlich die Achseln. Tom stand immer noch da wie vom Donner gerührt. Das war doch unmöglich.
    Er konnte nicht mehr an sich halten und stürzte an Pride vorbei quer über den Hof zum Kuhstall. Er spähte hinein. Das Pony stand angebunden an seinem Platz. Ein Blick genügte, und er hatte Gewissheit: Das Tier war nicht zu verwechseln. Kurz spielte er mit dem Gedanken, nach dem Seil zu greifen und es einfach mitzunehmen. Doch das war aussichtslos. Außerdem ging es inzwischen längst nicht mehr um das Pony. Er machte kehrt und eilte wieder nach draußen.
    »Ach, Tom, stimmt etwas nicht?« Nun machten sich alle über ihn lustig. Die kleine Zuschauermenge hatte einen Heidenspaß, und ein Schmähruf jagte den nächsten:
    »Offenbar ist es wieder nach Hause gelaufen und hat sich selbst in den Stall gesperrt, Tom.«
    »Wo hast du es denn vermutet?«
    »Bestimmt hast du dir große Sorgen gemacht.«
    »Aber Kopf hoch, Tom, das Pony ist jetzt gut aufgehoben.«
    Nur John Pride betrachtete ihn zweifelnd. Offensichtlich wusste er immer noch nicht, was er von der Sache halten sollte.
    Tom ließ die anderen stehen und stolzierte davon, ohne Pride oder selbst seine Schwester auch nur eines Blickes zu würdigen. Er marschierte am Teich vorbei und den Weg entlang.
    Wie konnte so etwas geschehen? Das durfte doch nicht wahr sein! Hatte jemand Pride einen Wink gegeben? Nein, dazu hatte die Zeit nicht gereicht. Außerdem hatte man Pride deutlich angemerkt, dass er ebenso überrascht gewesen war wie er. Hatte sein Sohn den Braten gerochen und das Pony zurückgeholt? Auch das kam nicht in Frage, denn Harry hatte ihn die ganze Nacht lang im Auge behalten. Wer wusste sonst noch Bescheid? Seine Schwester und ihre Familie. War einer von ihnen unvorsichtig gewesen? Tom bezweifelte es. Außerdem konnte er sich nicht vorstellen, dass jemand im Dorf John Pride einen Gefallen erweisen würde.
    Mary. Sie war die einzige Schwachstelle. Hatte sie sich nachts aus dem Haus geschlichen, während er schlief? Oder jemand anderen damit beauftragt? Das glaubte er nicht. Aber andererseits hatte sie sein Verhalten wegen des Ponys ja von Anfang an nicht gebilligt.
    Er tappte im Dunkeln. Und wahrscheinlich würde das auch so bleiben. Eines stand jedenfalls fest: Er hatte sich heute zum Narren gemacht und war in der Achtung der Dorfbewohner noch tiefer gesunken. Ganz gleich, was ich auch unternehme, dachte er, ich mache es damit nur schlimmer.
    Als er zurückkam, stand sie allein im Hof und blickte ihm wortlos entgegen. Aber die Schuld stand ihr ins Gesicht geschrieben. Nun, wenn sie es so darauf anlegte, sollte sie ihre gerechte Strafe kriegen.
    Deshalb schwieg auch er, als er auf sie zuging. Worte waren hier überflüssig. Stattdessen holte er mit der offenen Hand aus und schlug sie so fest er konnte ins Gesicht. Sie stürzte zu Boden.
    Er hatte nicht das geringste Mitleid mit ihr.
     
     
    Erntezeit. Lange Sommertage. Endlose Reihen von Männern in Kitteln, die langsam große Sicheln schwangen und sich Schritt für Schritt über die goldenen Felder voranarbeiteten. Dahinter folgten Laienbrüder in weißen Kutten und schwarzen Schürzen, ebenfalls mit Sicheln und Sensen ausgerüstet. Dichter Staub schwebte in der Luft. Feldmäuse und anderes Kleingetier flohen hastig in die Hecken am Rain, wo ein Summen laut wurde. Überall wimmelte es von Fliegenschwärmen.
    Der wolkenlose Himmel war leuchtend blau, und die Sonne verbreitete eine drückende Hitze. Langsam ging der Vollmond auf.
    Bruder Adam saß reglos auf seinem Pferd. Er war gerade von Beufre nach St. Leonards geritten. Später wollte er den Weg über die Heide zu den Feldern oberhalb der kleinen Furt nehmen, denn seine Aufgabe war es, die Arbeiten zu überwachen.
    Vor einer

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